«Alptraum»: Koeman bekommt bei Barça letzte Gnadenfrist

«Alptraum»: Koeman bekommt bei Barça letzte Gnadenfrist

Nach der weiteren schwarzen Nacht für den FC Barcelona bekommt Trainer Ronald Koeman am Camp Nou wohl eine letzte Chance.

Obwohl die Rufe nach einem Rausschmiss des Niederländers nach dem 0:3 im Champions-League-Duell bei Benfica Lissabon noch lauter wurden, soll der 58-Jährige vorerst im Amt bleiben. Das habe der Vorstand des sportlich und finanziell schwer angeschlagenen spanischen Traditionsclubs in einer nächtlichen Krisensitzung beschlossen, berichteten unter anderem die Fachblätter «Sport» und «Marca» unter Berufung auf Clubkreise.

Projekt Koeman eine Chance geben

Koeman werde mindestens noch bis zum Topspiel der Katalanen am Samstag (21.00 Uhr) bei Meister Atlético Madrid die Geschicke des Teams um Nationaltorwart Marc-André Ter Stegen leiten, hieß es. Man wolle «dem Projekt» eine Chance geben. Die Krisensitzung unter Leitung von Clubboss Joan Laporta sei sehr hitzig verlaufen und am Donnerstag erst nach vier Uhr morgens zu Ende gegangen.

Als mögliche Nachfolger von Koeman seien dabei das Club-Idol Xavi, der Italiener Andrea Pirlo und auch der spanische Nationaltrainer Luis Enrique genannt worden. Letzterer schloss aber eine Rückkehr zum Verein, bei dem er Profi und Trainer war, aus: «Ich glaube, Laporta hat nicht einmal meine Handy-Nummer», sagte Luis Enrique.

Schwere Aufgabe bei Atlético

Nachdem sein Team wie schon zum Auftakt gegen den FC Bayern auch bei Benfica mit 0:3 unterlag, steht der Europameister von 1988 immer mehr unter Druck, zumal Barça am Samstag in Madrid erneut vor einer sehr schweren Aufgabe steht. «Kredit verbraucht», titelt «Marca» ihren Bericht zur ersten Niederlage der Katalanen in Lissabon seit 60 Jahren. Koeman stehe «am Rand des Abgrunds».

Dem Trainer gehen die ohnehin nur noch wenigen Argumente aus, um seine Position zu verteidigen. «Es ist hart, das zu akzeptieren. Ich finde nicht, dass das Resultat mit dem Spiel, das wir gesehen haben, übereinstimmt.» Nach dem Debakel rechtfertigte er sich: «Trotz des frühen Rückstands haben wir bis zum 0:2 gut gespielt.»

«Marca» ist sich trotz der letzten Gnadenfrist für den Trainer sicher, dass es zur Ablösung keine Alternative gibt. «Wenn er zu diesem Zeitpunkt weiterhin auf der Bank von Barcelona sitzt, liegt dies daran, dass sein Ersatz nicht geklärt ist», schrieb das Blatt. Xavi sei der Favorit. Dabei gebe es aber zwei Probleme: die hohe Entschädigung, die dem Niederländer zu zahlen wäre, und die Möglichkeit, dass Xavi auch keinen Erfolg haben und dafür in die Kritik geraten könnte, wenn er die Mannschaft zu früh übernähme.

«Ein unerträglicher Alptraum»

«Das ist ein unerträglicher Alptraum», beklagt die Zeitung «Sport». «Ein echtes Fußballdrama, eine unerträgliche Qual.» Barça sei eine Mannschaft «ohne Richtung, traurig, schwach, ohne Angriff und ohne Verteidigung. Ein untergegangenes Team, das nicht konkurrenzfähig ist. Nicht wiederzuerkennen… Eine radikale Veränderung ist nötig. Und die sollte ohne Zweifel auf der Trainerbank beginnen.»

Darwin Nunez (3./79., Elfmeter) und Rafa Silva (69.) hatten die erneute Pleite besiegelt. Koeman meinte: «Wir hatten wirklich gute Torchancen und hätten die Richtung des Spiels ändern können. Dass Benfica die große Mehrheit der wenigen Chancen genutzt hat, war der große Unterschied zwischen beiden Mannschaften am heutigen Abend.»

Dennoch wollte Koeman zwar nicht das Niveau seines Teams kritisieren, dem einstige Stars wie Lionel Messi fehlen. «Aber es macht natürlich keinen Sinn, das jetzige Team mit dem von vor ein paar Jahren zu vergleichen. Das ist so klar wie Wasser. Ich kann Ihnen nur eine Einschätzung über meine Arbeit hier geben – und ich fühle mich durch meine Spieler und ihre Einstellung unterstützt.»

Aktuell scheinen auch die Spieler dem Trainer weiter den Rücken zu stärken. Es sei «keine Lösung, jetzt den Coach zu wechseln. Es sind noch genügend Spiele, um weiterzukommen. Wir müssen diese Situation gemeinsam durchstehen und hart arbeiten», sagte der Niederländer Frenkie de Jong.

Von Frank Thomas, Jan-Uwe Ronneburger und Emilio Rappold, dpa