Aus gegen Italien: Belgiens Goldene Generation ramponiert

Aus gegen Italien: Belgiens Goldene Generation ramponiert

Noch in der Nacht nach dem frustrierenden EM-Aus gegen Italien zerstreute sich Belgiens Goldene Generation um den ausgepumpten Kevin De Bruyne.

Die «Roten Teufel» bestiegen nach dem enttäuschenden Verpassen des Halbfinales in München den Flieger nach Charleroi, steuerten ein letztes Mal ihr Stammquartier in Tubize an und verschwanden danach in ihren Limousinen.

Die angeblich Goldene Generation um De Bruyne und Romelu Lukaku ist gegen meisterhafte Italiener (1:2) erneut vorzeitig an ihrem Titelziel gescheitert. Mehr als Platz drei bei der WM 2018 hat der Weltranglistenerste mit seinen Hochbegabten nicht erreichen können. «Fußball kann manchmal grausam sein», konstatierte Nationaltrainer Roberto Martinez, der sich im Moment der Tristesse nicht zu seiner Zukunft äußern wollte.

«Die Enttäuschung ist groß»

«Die Enttäuschung ist groß», räumte Spielmacher De Bruyne ein, der große Momente gegen die taktisch brillanten Italiener hatte, aber eben nicht die ganz großen. «Für mich persönlich waren es vier oder fünf Wochen verrückte Wochen», resümierte der Regisseur von Manchester City. «Erst die Verletzung im Champions-League-Finale, dann gegen Portugal. Ich muss mich wirklich bei unserem medizinischen Personal bedanken, sie haben alles getan, damit ich spielen konnte. Denn eigentlich ist das ein Wunder.»

De Bruyne erlebte einen wahren Höllenritt. Im verlorenen Finale der Königsklasse Ende Mai hatte der 30-Jährige nach einem Zusammenprall mit dem deutschen Nationalspieler Antonio Rüdiger vom FC Chelsea einen Nasenbein- und einen Augenhöhlenbruch erlitten.

«De Bruyne hat eine unglaubliche Hingabe gezeigt»

Gegen die Portugiesen am Sonntag rissen ihm Bänder im linken Sprunggelenk, wie er nach dem zweiten Aus in einem EM-Viertelfinale nacheinander einräumte. «Kevin De Bruyne hat eine unglaubliche Hingabe gezeigt», schwärmte Martinez. «Er hat alles gegeben. Das ist die Mentalität dieses Teams.»

Ein Goldener Geist steckt aber vermutlich nicht in dieser Truppe, dessen Mitglieder im Vereinsfußball Titel um Titel erringen. Von ihren vergangenen 28 Länderspielen haben die Belgier zwar nur zwei verloren – aber jedes Mal, wenn es darauf ankam.

«Leb wohl, Belgiens Goldene Generation, die vielleicht schon zum Scheitern verdammt war, sobald man ihr den Namen aufgebürdet hatte», dichtete «The Guardian» in England. «Diese war vielleicht die letzte Chance einer Goldenen Generation aus Belgien, um ganz vorne zu landen», befand «NOS» in den Niederlanden.

Der am Oberschenkel verletzte Eden Hazard fehlte Belgien in der Offensive als ein weiterer Ausnahmekönner. Der Star von Real Madrid musste das Aus Fingernagel kauend mit schwarzer Kappe auf dem Kopf und im Trainingsanzug auf der Tribüne mitverfolgen.

Ende der «Goldenen Generation»

Ist der Lack bei der Goldenen Generation also ab? Martinez selbst, der noch einen Vertrag bis zur WM 2022 besitzt, ließ seine Zukunft offen. «Mir fällt es im Moment schwer, über etwas anderes zu reden als über die Niederlage und unser Ausscheiden aus der EM», sagte der Spanier, der in der Premier League hochgeschätzt wird. Das Aus müsse für einige seiner Routiniers aber «nicht das Ende» sein.

«Es ist klar, dass die Jugend nachkommt», meinte De Bruyne, der mit 30 Jahren zu den Erfahrenen zählt. Der gegen Italien wirbelnde Jeremy Doku (19) von Stade Rennes gehört im Angriff hingegen zur kommenden Generation, ein Dries Mertens (34) ist nur noch Nebendarsteller. Die Belgier werden sich insbesondere in der Abwehr um Rekordnationalspieler Jan Vertonghen (34), Thomas Vermaelen (35) und Toby Alderweireld (32) verjüngen müssen.

Und der Rest? Der könnte nochmal angreifen – zumindest bei der WM in Katar in knapp eineinhalb Jahren. In Doku oder Mittelfeldspieler Youri Tielemans (24) seien «neue Spitzenspieler auf dem Weg», urteilte «De Telegraaf» in den Niederlanden. Und die «Daily Mail» sprach Belgien mit Blick auf alternde, aber immer noch tonangebende Stars wie Cristiano Ronaldo (36) oder Lionel Messi (34) Mut zu: «Es gibt Hoffnung für die Zukunft.»

Von Martin Moravec und Christian Kunz, dpa