Der neue Heilige: Spanien-Keeper hat es geahnt

Der neue Heilige: Spanien-Keeper hat es geahnt

Unai Simón übte schon mal für den Jubel mit der Europameisterschafts-Trophäe. Hüpfend hielt Spaniens neuer Torwart-Held und Elfmeter-Entschärfer seinen Pokal als «Star of the Match» in den Händen und reckte die Arme nach oben in der Kabine des St. Petersburger WM-Stadions.

Seine Mitspieler jubelten, Unai Simón schrie seine Freude heraus. «Grande Unai Simón», twitterte einer, der mehr als nur zu gut weiß, wie es sich anfühlt, der Held eines Elfmeterschießens zu sein: Der fußballheilige «San» Iker Casillas, zweimaliger Europameister und Weltmeister mit Spanien.

Unai Simón hatte sich angesichts der Elfmeter-Krise unlängst sogar schon als Schütze angeboten. Soweit musste es nicht kommen. Der Keeper, der in der spanischen Liga für Athetic Bilbao zwischen den Pfosten steht, parierte die Versuche von Fabian Schär und Manuel Akanji, Ruben Vargas wollte es dann so genau machen, dass er drüber schoss.

«Die Emotionen des Augenblicks sind unbeschreiblich», sagte Unai Simón. Das Grinsen wollte so schnell nicht mehr aus seinem Gesicht weichen. Von Trainer Luis Enrique wurde er so herzhaft geknuddelt, dass es beide nach dem 3:1 im Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen die Schweiz auf den Rasen des russischen EM-Stadions riss.

Simón steht für die spanische Mentalität

Aber wer ist dieser neue Held der Spanier? 24 Jahre ist Unai Simón alt, waschechter Baske. Er stammt aus Vitoria-Gasteiz, spielte schon in der Jugend bei Athletic Bilbao. Er wurde in der vergangenen Saison mit dem Club spanischer Superpokalsieger. Er feierte mit Spanien aber auch schon zwei EM-Titel: 2015 mit der U19, 2019 mit der U21. Und nun steht Spanien vor allem dank Simón am Dienstag im Knaller-Halbfinale gegen Italien. Ob er noch einen Extra-Rat von Casillas bekommt, der 2008 im Elfmeterschießen gegen Italien (Viertelfinale) triumphierte, ist ungewiss.

Klar ist, dass dieser Unai Simón wie die gesamte Mannschaft und auch der Trainer eines gezeigt haben: Sie sind nervenstärker als viele gedacht hatten und mental ungeachtet einer weniger packenden Vorstellung durchaus auch titelreif. Denn nur vier Tage vor der Partie war diesem Unai Simón beim 5:3 im Achtelfinale von Kopenhagen gegen Kroatien ein schwerer Lapsus unterlaufen, als bei einer Rückgabe von Jungstar Pédri schlicht am Ball vorbei getreten hatte. «Unai hat so große Eier», sagte Mitspieler Koke.

«Unai Simón, der große Protagonist in der Woche der ‚Selección’», schrieb die Zeitung «ABC». «Unai Simón ist bereits der neue Heilige Spaniens», befand die Sportzeitung «Marca». «Heilige Hände», schrieb die «As» auf ihrer Titelseite. Und «Estadio Deportivo» nannte ihn kurz «Don Simón».

Der Blick geht nach vorn

Dabei war gar nicht mal so sicher, dass Unai Simón die Nummer eins im Tor der Spanier sein würde. Einer der drei Keeper im Kader würde schon spielen, hatte Luis Enrique vor dem Auftakt noch gesagt. Simón stand vor der EM gerade mal bei sieben Einsätzen. Am 11. November 2020 gegen die Niederlande hatte er sein Debüt gegeben, war auch beim historischen 6:0 gegen Deutschland im spanischen Tor. Er hat David De Gea, 30 Jahre alt von Manchester City und 45-maliger Nationalspieler, unter Luis Enrique verdrängt.

Trotz aller Freude über das erste Halbfinale einer spanischen Mannschaft seit dem Triumph 2012 richtete aber auch Unai Simón den Blick schon mal nach vorn. «Genauso wie wir die Erinnerung an den Fehler im letzten Spiel auslöschen mussten, ist es an der Zeit, diesen Triumph schnell zu vergessen, weil wir im nächsten Spiel auf einen harten Gegner treffen», sagte er.

Da wusste er noch nicht, dass es Italien sein würde. Womöglich wird der spanische Keeper, der die Auszeichnung des «Star of the Match» seinem Schweizer Gegenüber Yann Sommer gegeben hätte, dann wieder mitentscheidend sein. Jedenfalls hatte er schon bei seiner kleinen Geburtstagsparty mit Mundschutz und Kuchen im EM-Camp in Las Rozas de Madrid am 11. Juni so eine Vorahnung gehabt: «Ich bin mir sicher, dass wir alle eine tolle EM haben werden.»

Von Jens Marx, dpa