DFB-Frauen im Endspurt vor EM: «Wenig Zeit» und viel Arbeit

DFB-Frauen im Endspurt vor EM: «Wenig Zeit» und viel Arbeit

Erschöpft und mit vielen Erkenntnissen bestiegen die deutschen Fußballerinnen in Birmingham den Charterflieger nach Hause.

Viereinhalb Monate vor dem EM-Auftakt gegen Dänemark wartet auf Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg noch jede Menge Arbeit. Trotz des ernüchternden 1:3 gegen England zum Abschluss des Arnold Clark Cups ließ sich der Tabellenletzte den Optimismus für das Turnier im Juli auf der Insel nicht nehmen.

Aufgaben für die deutsche Auswahl vor der EM

«Wir hatten hier lehrreiche Spiele gegen Super-Nationen», bilanzierte Kapitänin Sara Däbritz von Paris Saint-Germain. «Ich denke, wir werden viel daraus mitnehmen können. Ich bin mir sicher, dass wir zur EM dann bereit sind und solche Teams schlagen können.» Voss-Tecklenburg will jetzt erstmal priorisieren, woran die DFB-Frauen arbeiten müssen – «weil wir sehr wenig Zeit haben werden mit dem kompletten Kader».

Am 8. Juli geht es bei der Europameisterschaft gegen Dänemark los, weitere Vorrundengegner sind die starken Spanierinnen sowie Finnland. Davor bleiben den DFB-Frauen in der Vorbereitung die WM-Qualifikationsspiele am 9. April gegen Portugal in Bielefeld und am 12. April in Serbien sowie ein Testspiel im Juni gegen einen noch nicht bekannten Gegner. Die EM-Trainingslager sind vom 12. bis 18. und vom 21. bis 29. Juni in Herzogenaurach.

Mindestens ein Dutzend EM-Kandidatinnen fehlte bei dem Testturnier in England – und vor allem bei erfahrenen Kräften steht so manches Fragezeichen: Schafft Spielführerin Alexandra Popp (VfL Wolfsburg) nach ihrer zweiten Knie-Operation rechtzeitig den Sprung zurück? Wird und bleibt die immer wieder verletzte Abwehrchefin Marina Hegering vom FC Bayern fit? Wann kommt Melanie Leupolz vom FC Chelsea nach ihren Corona-Folgen wieder in Form? Zumindest bei Popp gab Wolfsburgs Sportlicher Leiter Ralf Kellermann am Donnerstag Entwarnung: «Sie wird uns in sehr naher Zukunft wieder zur Verfügung stehen.»

Chatzialexiou: «Wollen um Titel spielen»

Routiniers wird Voss-Tecklenburg beim achtmaligen Europameister und zweimaligen Weltmeister im Sommer brauchen. Der Anspruch ist ungeachtet der Durststrecke mit der verpassten Olympia-Teilnahme hoch. «Wir wollen nicht mitspielen, wir wollen um Titel spielen», sagte Joti Chatzialexiou, Leiter Nationalmannschaften beim Deutschen Fußball-Bund und Begleiter der DFB-Auswahl. «Daran müssen wir innerhalb des Verbandes und auch mit den Vereinen arbeiten.»

Optimierungsbedarf sieht Chatzialexiou beispielsweise bei der Datenerhebung. Bei den Männern ist das längst Standard – in der Frauen-Bundesliga sei man da «ein bisschen Neandertaler». Dass die deutschen Spielerinnen auch athletisch zulegen müssen, zeigte sich gegen die robusten Engländerinnen.

«Heute war es extrem körperlich», sagte Voss-Tecklenburg nach der verdienten Niederlage gegen den Turniersieger. Die Spanierinnen, gegen die die DFB-Frauen 1:1 spielten, seien «extrem technisch und ballsicher gewesen». Und auch nach dem 0:1 gegen Kanada lobte die 54-Jährige «diese Körperlichkeit, diesen Spirit» beim Olympiasieger von Rio.

Voss-Tecklenburg: «Es fehlt der Killerinstinkt»

Weitere Erkenntnisse im hochtalentierten, aber mitunter hektischen deutschen Team waren: Es mangelt an «Präzision, unter Druck Lösungen zu finden» und am «Killerinstinkt», so Voss-Tecklenburg. Die Gegner in der WM-Qualifikation taugen nur bedingt dafür, sich da zu verbessern.

«Die Engländerinnen waren heute ein bisschen abgezockter», meinte Torschützin Lina Magull vom FC Bayern. Das sei «sauärgerlich, aber das Turnier zeigt uns jetzt einfach noch mal, woran wir arbeiten müssen, dass wir noch viel Potenzial haben». Dieses spricht den DFB-Frauen auch niemand ab: Vor allem für die die Offensivtalente Jule Brand (19/Hoffenheim), Klara Bühl (21/München) und Nicole Anyomi (22/Frankfurt) und die junge Abwehr war der Lerneffekt enorm.

«Wir haben ganz viel Herz, ganz viel Leidenschaft reingesteckt, ganz viel Mentalität», sagte Voss-Tecklenburg, aber oftmals habe eben die Spielruhe gefehlt. Dennoch stellte sie der jungen Generation ein vielversprechendes Zeugnis aus: «Sie sind offen, sie sind wissbegierig, sie sind cool. Es macht wirklich Spaß, dass wir aktuell in Deutschland richtig spannende, junge, internationale Spielerinnen haben. Und: Sie machen Druck auf die Etablierten.»

Von Ulrike John und Philip Dethlefs, dpa