Dunkle Schatten über Unions Sieg – Staatsschutz ermittelt

Dunkle Schatten über Unions Sieg – Staatsschutz ermittelt

Die eiserne Europa-Freude währte nur kurz.

Empörung und Entsetzen über antisemitische Beleidigungen und Übergriffe durch einige Fans beim 3:0-Erfolg des 1. FC Union Berlin gegen Israels Meister Maccabi Haifa werfen einen dunklen Schatten auf einen nur auf den ersten Eindruck festlichen und euphorischen Fußball-Abend im Berliner Olympiastadion. Ihren internationalen Premierensieg in der Gruppenphase der Conference League konnten Trainer Urs Fischer und seine treffsichere Stürmer-Crew um die Torschützen Andreas Voglsammer, Kevin Behrens und Taiwo Awoniyi jedenfalls kaum genießen.

«Dieses Verhalten ist beschämend und nicht tolerierbar. Wir bitten die Betroffenen um Entschuldigung», reagierte Club-Chef Dirk Zingler in einer Pressemitteilung auf die Ereignisse am Vorabend. Man werde die Ermittlungen der Polizei «mit allen uns zur Verfügung stehenden Informationsquellen» unterstützen.

Verdacht der Volksverhetzung

Kurz zuvor hatte die Berliner Polizei ihre erste Bilanz gezogen. Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamtes ermittelt in drei Fällen gegen Union-Anhänger. Wie die Berliner Polizei mitteilte, wird gegen mehrere noch unbekannte Personen wegen des Verdachts der Volksverhetzung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Sie sollen Fans von Maccabi Haifa «verbal provoziert, bedroht und mit Bier beworfen» sowie fremdenfeindliche Äußerungen getätigt haben.

Gegen einen noch nicht identifizierten Tatverdächtigen wird wegen Inbrandsetzens einer Handfahne und Beschädigung einer ausländischen Flagge ermittelt. Der Mann konnte sich einer Festnahme entziehen, nachdem er beobachtet von einem Zivilbeamten versucht hatte, eine israelische Fahne eines Haifa-Fans anzuzünden. Einem weiteren Mann wurde vorläufig die Freiheit entzogen, nachdem er mehrfach «Sieg Heil» gerufen hatte. Er muss sich wegen «Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten», teilte die Polizei mit. Insgesamt waren 470 Polizisten bei der Partie im Einsatz.

Publik geworden waren die Ereignisse beim ersten Auftritt einer israelischen Fußball-Mannschaft im von den Nationalsozialisten in den 1930er Jahren erbauten Olympiastadion durch das Jugend Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. «Im gemischten Block wurden wir von Union-Fans bedroht, mit Bier beworfen und u.a. als „scheiß Juden“ beleidigt», hieß es bei Twitter.

Lob für Union

Bestätigt und detailliert dokumentiert wurden die Vorwürfe von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (Rias), die allerdings auch den Umgang von Union durch erste Reaktionen und eine Kontaktaufnahme mit Betroffenen durch den Verein lobte.

«Antisemitismus ist leider in unserer Gesellschaft nach wie vor vorhanden, deshalb zeigt er sich auch im Stadion. Diskriminierung werden wir in unseren Reihen jedoch nie dulden. Es gilt wachsam zu bleiben und unermüdlich dagegen anzugehen», sagte Club-Chef Zingler. 

Das Jugend Forum forderte ein klares Vorgehen gegen antisemitische Vorfälle in Fußball-Stadien – unabhängig davon, dass es sich in Berlin offenbar um Einzelfälle handelte. «Vielen Dank für die Welle der Solidarität online und an die Union-Fans, die sich im Stadion mit uns solidarisiert haben! Der Großteil der Unioner hat Maccabi freundschaftlich empfangen und mit ihnen den Fußball gefeiert. Wir erwarten aber auch, dass gegen #Antisemitismus im Stadion konsequent vorgegangen wird, damit dies auch weiterhin möglich ist. Für diskriminierungsfreien Fußball!», teilte die Organisation mit.

Politiker entsetzt

Berlins Justizsenator Berlins Justizsenator Dirk Behrendt reagierte entsetzt auf die Berichte. Der Grünen-Politiker bezeichnete diese am Freitag als «bestürzend». «Antisemitismus darf auch im Fußball keinen Platz haben. Meine Solidarität gilt den Fans des israelischen Meisters Maccabi Haifa», sagte der 50-Jährige. Behrendt offerierte seine Hilfe bei der Aufarbeitung. «Wir unterstützen Vereine wie Union auf dem Weg zu einer Fankultur ohne Hass», betonte der Politiker.

Der Europäischen Fußball-Union UEFA lagen vorerst keine weiterreichenden Informationen zu den Vorfällen vor. Man warte noch auf den Bericht des Spiel-Delegierten. Möglicherweise droht Union ein Disziplinarverfahren. Mit einer Aufnahme von Ermittlungen oder gar eine Anklage ist aber nicht vor nächster Woche zu rechnen. Geldbußen oder ein Zuschauerausschluss könnten folgen.

Symbolträchtiger Ort

In Israel wurden die Vorfälle an dem geschichts- und symbolträchtigen Ort vornehmlich auf Grundlage deutscher Medienquellen kommentiert. «Letztlich wurde etwas, das ein ehrenhaftes Ereignis hätte sein sollen, das eine historische Korrektur darstellt, auch eine Demonstration von Hass», schrieb «Walla Sport».

Während der Partie herrschte unter den 23.324 Zuschauern insgesamt eine euphorische Stimmung. Rund 1000 Haifa-Fans feuerten ihr Team ebenso leidenschaftlich an, wie die Union-Fans ihre Mannschaft. Die hatten mehrfach lautstark zum Ausdruck gebracht, dass sie das Spiel lieber im eigenen Stadion an der Alten Försterei gesehen hätten, was die UEFA-Regularien zu Sitzplatzkapazitäten aber unmöglich machen. Deshalb weicht Union für den Europacup in das geschichtsträchtige Heimstadion von Hertha BSC im Westen der Hauptstadt aus.

Von Arne Richter, dpa