Eintracht Spandau: Der durchgeplante E-Sport-Kultverein

Eintracht Spandau: Der durchgeplante E-Sport-Kultverein

Bier zum Zähneputzen, Dosenravioli als Teamcatering und die Trainingsstätte im Schrebergarten: Beim Vorstellungsvideo des Gaming-Hauses will die von Youtuber Max «HandofBlood» Knabe neu gegründete E-Sport-Organisation Eintracht Spandau ein sehr genaues Bild von sich selbst zeichnen.

Sympathisch, verpeilt, lokal – das Vorbild: der kultige, etwas abgeranzte Fußballverein. Fußballromantik im E-Sport, mit enger Bindung zur eigenen Region und der Kneipe um die Ecke. Und ein Bruch mit dem Image, das E-Sport-Organisationen sonst oft zeichnen, in denen Spieler mit verschränkten Armen auf Bühnen in buntem Scheinwerferlicht und künstlichem Nebel stehen.

«Für uns war der Auslöser: In der deutschen E-Sport-Szene fehlt es aktuell noch an den Punkten, die man im klassischen Sport und im Fußball immer wieder hat – eine regionale Identifikation und Traditionsvereine», sagt Christian Baltes im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Er ist Produktmanager bei der Influencer-Agentur Instinct3, die Eintracht Spandau mitgegründet hat.

Eintracht Spandau startet in LoL Prime League

Der Club tritt ab Dienstag erstmals in der höchsten Spielklasse der Prime League an, der League-of-Legends-Liga für den deutschsprachigen Raum. Dort warten unter anderem Teams wie die lang etablierten deutschen E-Sport-Clubs BIG, Mouz und SK Gaming auf die Spandauer.

«Hype kann jeder, Street Credibility nicht. Authentizität kann man nicht erkaufen», heißt es auf der Homepage der Organisation. «Denn hier ist real.»

Gründung von Instinct3 und Jung von Matt Nerd

Aber natürlich ist der Club mit den schwarz-petrol gestreiften Trikots in Wahrheit kein Traditionsverein. Die Neugründung läuft neben Instinct3 auch über die Werbeagentur Jung von Matt Nerd. Beide Firmen sind spezialisiert auf Inhalte, die in sozialen Medien funktionieren.

Baltes geht davon aus, dass bis Ende des Jahres ein «kleiner siebenstelliger Betrag» in Eintracht Spandau investiert wird. Das Geld fließt beispielsweise in Content-Produktion, Spieler und Team-Haus – nicht in einem Schrebergarten, sondern einem Büro in Spandau.

Leidenschaft für den E-Sport

Wie passen das Authentizitäts-Kult-Image und die tatsächliche Organisation also zusammen? «Was wir damit meinten: Wir bringen die Leidenschaft für E-Sport mit und das Verständnis, wie die Community tickt», sagt Baltes. «Und das glauben wir damit, wie die Community bisher auf unseren Content reagiert, auch bewiesen zu haben.»

Viele der Beteiligten, wie Team-Manager Kevin Westphal, sind schon lange in der Szene. Und Instinct3 hat traditionell enge Verbindungen zu Prime-League-Veranstalter Freaks4U Gaming: HandofBlood war früher selbst bei Freaks 4U unter Vertrag, bevor er Instinct3 gründete.

«Wir glauben, dass das Selbstironische bei der Zielgruppe sehr gut ankommt und die meisten das auch sehr gut dekodieren können», sagt Baltes. «Und wir freuen uns, wenn es endlich losgeht, auch zu zeigen, dass wir das sportlich vollkommen ernst meinen. Wir sind genauso professionell wie die anderen Teams der Liga. Wir nehmen uns nur in Social Media nicht ganz so ernst.»

Handofblood im Zentrum des Contents

Im Zentrum des Auftritts steht der Youtube-Star HandofBlood. «Wir glauben, dass wir durch Max als Zugpferd beim Spielerischen auch auf andere Sachen setzen können», sagt Baltes. Woanders werde etwa vor dem Verpflichten eines Spielers auch auf dessen persönliche Reichweite in den sozialen Medien geschaut – da diese wichtig ist für Sponsoren. «Wir können dann auch auf jüngere, hungrige Spieler setzen», sagt Baltes.

Einen Erzrivalen hat Eintracht Spandau ebenfalls schon: den Hauptstadtclub BIG, der 2021 jeweils die Prime-League-Playoffs in der Frühlings- und Sommersaison gewinnen konnte. Die Rivalität wirkt deshalb zunächst ein bisschen wie ein Dackel, der aus einer Hecke springt und jemandem in die Wade beißt.

Spandau gegen Berlin in der Prime League

Über diese Rivalität wurde vorher mit BIG gesprochen. «Als wir die ersten Gespräche mit BIG hinter den Kulissen gesucht haben, waren die Feuer und Flamme, als sie erfahren haben, was wir hier planen. Und die wissen auch, wie gut die Rivalität, die wir gerade aufbauen, auch für sie sein kann», sagt Baltes und hofft auf Derby-Stimmung wie bei Schalke gegen Dortmund.

Die Geschichten um E-Sport-Wettbewerbe leben oft von Rivalitäten. So zählen etwa in der europäischen LoL-Liga LEC die Matches zwischen G2 Esports und Fnatic zu den klassischen Publikumsmagneten.

Bei BIG und der Eintracht ist allein die Herkunft schon Grund genug für die Rivalität. «Zwischen Berlin und Spandau gibt es auf jeden Fall Differenzen, die dann in der Kluft der Beschwörer geklärt werden müssen», sagt Team-Manager Westphal mit einem großen Lachen.

Der Trubel um Eintracht Spandau könnte also auch den anderen Teams in der Prime League zugutekommen. Die regionalen Ligen in Frankreich und Spanien haben die deutsche Liga in den Zuschauendenzahlen bei weitem überholt. Unter anderem, weil dort berühmte Influencer ihre eigenen Teams aufgestellt und so ihre Communitys mit an den E-Sport gebunden haben. Ob das auch in der Prime League klappt, werden wohl die kommenden Wochen zeigen.

Auftaktspiel Eintracht Spandau gegen Gamerlegion

Die Liga gibt den Spandauern mit dem Eröffnungsspiel am Dienstag gegen Gamerlegion einen gewissen Stellenwert. Auf die Frage nach den Chancen für einen Auftaktsieg gibt es von Westphal erst einmal eine bedeutungsschwangere Pause – und Grinsen. «Ja also. Wir schauen uns das Match an. Aber ich denke schon, dass wir es für uns entscheiden können», sagt er.

«Die werden weggeklatscht, wollte er sagen», legt Baltes mit einem Schmunzeln nach.

Tatsächlich legt sich Eintracht Spandau die sportlichen Ziele zunächst nicht zu hoch. «Wir wollen erstmal ankommen im ersten Jahr in der Prime League und uns im oberen Mittelfeld platzieren», sagt Westphal.

Wichtig sei es zunächst, Infrastruktur aufzubauen. «In den nächsten Jahren wollen wir dann immer um die Titel kämpfen und auch beim EU Masters mit dabei sein.»

Von Benedikt Wenck, dpa