Ganz Australien ist stolz auf Tennis-Idol Barty

Ganz Australien ist stolz auf Tennis-Idol Barty

Die Erinnerung an ihre Wurzeln waren Australiens erster Wimbledonsiegerin seit 1980 wichtiger als die Gedanken an eine große Sause.

Mit dem «unglaublichsten Gefühl» auf einem Tennisplatz im Herzen und der Siegerschale in der Hand sprach Ashleigh Barty lieber von ihrem großem Vorbild Evonne Goolagong Cawley, so schön das Wortspiel mit der Barty-Party auch sein mochte. 50 Jahre nach Goolagong Cawleys erstem Triumph auf dem Rasen von London stellte Barty die indigenen Wurzeln beider heraus – und die herzerwärmende Antwort aus der Heimat ließ nicht lange auf sich warten, auch wenn am anderen Ende der Welt längst die Nacht hereingebrochen war.

Ikone Evonne

«Evonne ist ein ganz besonderer Mensch in meinem Leben. Sie ist seit vielen Jahren eine Ikone», sagte Barty nach dem 6:3, 6:7 (4:7), 6:3 im Endspiel über die Tschechin Karolina Pliskova. Die in Kürze 70 Jahre alt werdende Ex-Tennisspielerin habe jungen Indigenen einen Weg geebnet, um an ihre Träume zu glauben und sie zu verfolgen. «Genau das hat sie auch für mich getan», betonte Barty, die aus der Nähe von Brisbane kommt. «Wenn ich nur halb der Mensch sein könnte, der Evonne ist, wäre ich ein sehr, sehr glücklicher Mensch.»

41 Jahre nach ihrem zweiten und letzten Wimbledon-Triumph zeigte sich Goolagong Cawley daheim extrem «stolz auf Ash, wie sie nicht nur auf dem Platz zurechtkommt, sondern auch daneben. Sie ist eine große Australierin, alle lieben sie», sagte die Gewinnerin von sieben Grand-Slam-Titeln und betonte: «Ash ist wie eine kleine Schwester und Teil meiner Familie.» Schon nach dem French-Open-Sieg 2019 hatte sie herausgestellt, wie großartig es sei, dass dort wieder eine Aborigine gewonnen habe.

In Wimbledon erinnerte die 25 Jahre alte Barty mit ihrem Outfit an den Erfolg ihres Idols 1971, die Turnier-Organisatoren stellten bei Twitter zwei Fotos der beiden nebeneinander, wie sie die Siegestrophäe – die Venus Rosewater Dish – lächelnd präsentieren.

Stolz einer ganzen Nation

Daheim fieberte die Sport-Nation Australien zu später Stunde an den Fernsehgeräten mit der Weltranglisten-Ersten und überschlug sich mit Gratulationen. Zu Wort meldete sich auch Cathy Freeman: Die 400-Meter-Olympiasiegerin von Sydney 2000 ist ebenfalls indigener Abstammung. «Mächtig stolz auf unser Mädchen», twitterte Freeman. Australien platze vor Stolz, schrieb Premierminister Scott Morrison. Glücklich zeigte sich Tennis-Idol Rod Laver, 1969 als letzter Herr Gewinner aller vier Grand-Slam-Turniere in einer Saison, dass Barty ihren großen Traum verwirklicht habe.

Ihre Popularität in der Heimat gründet sich auch auf ihr grundsätzlich bescheidenes Auftreten. «Ich habe einfach versucht, nach den Werten zu leben, die mir meine Eltern beigebracht haben. Ich denke, es ist wichtiger, ein guter Mensch zu sein als eine gute Tennisspielerin», erklärte Barty.

Auszeit im vergangenen Jahr

Vor einem Jahr um diese Zeit, als Wimbledon wegen der Corona-Pandemie ausfiel, saß Barty zu Hause. Sie war seit Anfang März 2020 daheim geblieben und verbrachte ihre zweite lange Auszeit vom Tennis-Betrieb nach 2014, als ihr alles zu viel war. Erst 2016 fing die begabte Kricket- und Golfspielerin wieder langsam mit dem Profitennis an, zehn Jahre nach ihrem Sieg bei den Juniorinnen in Wimbledon schloss sich nun ein Kreis. Immer wieder betonte Barty, wie sehr sie es als Privileg und Freude empfinde, besonders dieses Turnier nun wieder spielen zu können – und es nach einer Hüftverletzung bei den French Open Anfang Juni nun sogar zu gewinnen.

Bei ihrer Familie in der Nähe von Brisbane im Osten Australiens brach am Ende des knapp zweistündigen, in Spannung und Klasse wechselhaften Finales Jubel aus, als eine Rückhand von Pliskova im Netz landete. Der Kontakt zu den Schwestern und seiner Frau sei täglich da, berichtete Vater Rob Barty. Doch erst im November wird es nach zehn Monaten Trennung wohl so weit sein – für eine Barty-Party.

Von Robert Semmler, dpa