Gipfel für mehr Bewegung: Sport hofft auf Aufbruch

Gipfel für mehr Bewegung: Sport hofft auf Aufbruch

Den Aufschwung am extra platzierten Pauschenpferd brachen Nancy Faeser und Karl Lauterbach ganz schnell lachend ab. Ihr Vorhaben, Deutschland endlich wieder mehr in Bewegung zu bringen, brachten die beiden Bundesminister aber in Berlin mit Nachdruck auf den Weg.

Der seit langem vom organisierten Sport geforderte Bewegungsgipfel soll der Beginn einer ganzen Reihe von Maßnahmen sein, um Sport für alle Menschen im Land möglich und einfach erreichbar zu machen. Der Gipfel stimme sie «sehr optimistisch, weil alle gesagt haben, jawoll, wir packen hier mit an», sagte Innenministerin Faeser (SPD) der Deutschen Presse-Agentur.

Die bei dem Treffen in der Max-Schmeling-Halle verabschiedete Gipfel-Erklärung sieht eine Reihe von Initiativen vor. Kern ist ein Entwicklungsplan Sport als «nationale, auf Dauer angelegte Kampagne». Bis zum nächsten Jahr sollen konkrete Vorschläge erarbeitet werden, die besten werden ab 2024 umgesetzt. Dies sei eine «extrem wichtige Initiative, die wir schon in der Vergangenheit gebraucht hätten», sagte Gesundheitsminister Lauterbach.

Der SPD-Politiker war in Retro-Trainingsjacke erschienen und betonte: «Sport ist das beste Medikament, das wir je erfunden haben.» Mit am Tisch saßen neben Lauterbach und Faeser Vertreter sieben weiterer Bundesministerien sowie von Bundestag, Ländern und Kommunen und des organisierten Sports.

Sport ist «unverzichtbar»

Dass keine Fachpolitiker der Oppositionsparteien eingeladen worden seien, stieß indes auf heftige Kritik. «Dieses Gebaren zeigt, dass es der Bundesregierung nur um ihre Selbstdarstellung geht», sagte der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer. Er bezeichnete den Gipfel als «Fehlstart».

Sie erhoffe sich durch den Gipfel das Signal für einen Kulturwandel, sagte Kerstin Holze, Vizepräsidentin des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) und damit Vertreterin von rund 87.000 Sportvereinen. Sport sei keine schöne Option, «sondern unverzichtbar», beteuerte Holze. Wie zum Beweis lärmten im Hintergrund auf dem Hallenparkett junge Sportlerinnen und Sportlern im Rollstuhl und eine Kinder-Basketballgruppe.

Die Jüngsten stehen ganz besonders im Fokus der Initiativen. Nur etwa ein Viertel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland bewegt sich nach Angaben des Robert Koch-Instituts ausreichend. Unter den Erwachsenen ist es gar nur ein Fünftel. In der Corona-Pandemie meldeten sich viele Familien mit ihren Kindern aus den Sportvereinen ab. «Das wollen wir reaktivieren», sagte Faeser.

Ein größeres und besseres Sportangebot in Schulen, Kitas und Vereinen, mehr Geld und Unterstützung für das Ehrenamt, Investitionen in Sportstätten, frühzeitiger Schwimmunterricht für alle Kinder – die Liste der drängenden Aufgaben ist lang. Helfen sollen die Einrichtung eines «Runden Tisches Bewegung und Gesundheit», eine von der Bundesregierung entwickelte Ernährungsstrategie und der verstärkte Ausbau von Radwegen.

Sportangebote im Internet

Zudem wollen die Gipfel-Teilnehmer Sportangebote im Internet sichtbarer machen. Geplant ist auch ein bundesweiter «Tag des Sports» mit einfachen Angeboten für Jedermann. Im Rahmen des Programms «Restart Sport» stellt das Innenministerium dem DOSB bis Ende des nächsten Jahres 25 Millionen Euro als Fördermittel für den Vereinssport und seine Trainer und Schiedsrichter bereit.

Kanu-Olympiasieger Ronald Rauhe unterstrich als Gipfel-Gast den dringenden Handlungsbedarf. «Wir müssen dem Sport wieder mehr Anerkennung und Wertschätzung zukommen lassen. Wir müssen uns wieder trauen, Leuchttürme und Helden zu kreieren», sagte der 41-Jährige.

Ein solcher Leuchtturm soll die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland werden. «Die besten Fußballer Europas kommen zu uns ins Land. Die Aufmerksamkeit kann man sehr gut nutzen, um das Thema Bewegung zu kommunizieren», sagte Ex-Weltmeister Philipp Lahm, Chef des EM-Organisationskomitees. Als alleinige Zugnummer wird es der gerade ziemlich mit sich selbst beschäftigte deutsche Fußball aber kaum richten können, meint auch Lahm: «Es geht nur gemeinsam, dass sich Kinder nach der Pandemie wieder bewegen.»

Christian Hollmann, dpa