Kimmich wartet – Wie der Sport mit dem Impfen umgeht

Kimmich wartet – Wie der Sport mit dem Impfen umgeht

Für hitzige Debatten rund um die Corona-Impfung im Sport hätte es die Aussagen von Joshua Kimmich nicht gebraucht.

Mit dem Druck durch Gehaltsverluste wie in US-Ligen, mit klaren Nachteilen für Ungeimpfte und der Gefahr, Chancen auf Triumphe zu verpassen, gibt es Themen genug. Die Konsequenzen, die aus dem Impfstatus resultieren können, sind unterschiedlich. Manchmal scheint die Impfung für den sportlichen Erfolg Pflicht, wie für die Winterspiele in Peking 2022 oder die Australian Open.

Vieles bleibt im Unklaren

Im Tennis wird besonders heftig diskutiert. Eine solche Klarheit wie jetzt bei Nationalspieler Kimmich, der am Samstag einräumte, bislang nicht gegen Corona geimpft zu sein, würde sich beim Topstar Novak Djokovic mancher wünschen. Der Weltranglistenerste, genesen von einer Corona-Erkrankung im vergangenen Jahr, will seinen Impfstatus nicht offenbaren und gibt Rätsel auf: Ist er tatsächlich ungeimpft oder längst geimpft? «Das ist eine Privatsache», erklärte der 34 Jahre alte Serbe in einem Interview. Die Frage danach sei unangemessen.

Dass man über Ungeimpfte nichts erfährt, ist nicht ungewöhnlich. So ist es beispielsweise auch in der Formel 1 oder bei Clubs der Fußball-Bundesliga. Kimmich redete erst nach einem Medienbericht.

Im Tennis rückt diese Frage immer stärker in den Fokus je weiter das Jahr voranschreitet, weil die Reise zu den Australian Open näher kommt. Ob Djokovic seinen Titel ohne Corona-Piks verteidigen kann, ist fraglich. Ob Ungeimpfte am Grand-Slam-Turnier, das am 17. Januar beginnt, überhaupt teilnehmen dürfen, ist möglich, aber noch nicht offiziell entschieden. Die Auflagen wären wohl streng: Eine strikte zweiwöchige Hotel-Quarantäne wäre ein gewaltiger Nachteil.

«Ich habe das Problem nicht», bekräftigte Olympiasieger Alexander Zverev und ließ seinen Geimpften-Status durchblicken. Die Geheimniskrämerei über Djokovic nimmt womöglich erst nach dem Flug nach Australien ein Ende. Wenn er fliegt. Seine Teilnahme ist offen.

Die Impfung als private Entscheidung

Auch Zverev hält die Impfung für ein privates Thema. Formel-1-Pilot Sebastian Vettel sagte: «Na ja, wer bin ich, dass ich das beurteilen kann?», meinte er: «Ich meine, ich habe mich impfen lassen. Offensichtlich reise ich viel.» Entscheiden müsse das jeder selbst, es betreffe den eigenen Körper. «Aber ich denke auch, dass es teilweise nicht nur eine Entscheidung ist, die man für sich selbst treffen muss, sondern auch für andere Menschen, und aus Solidarität sollte man sich vielleicht impfen lassen.»

In der Formel 1 hatte das Königreich Bahrain die vollständige Impfung angeboten, auch im Tennis gab es Möglichkeiten an Wettkampforten.

Die Gefahr der verpassten Chancen

Fällt ein Rennfahrer der Formel 1 aus, wirkt sich das auf die WM-Wertung aus und könnte seinem Team Millionen-Einnahmen kosten. Bei Djokovic steht neben dem Preisgeld Tennis-Historie auf dem Spiel. Eigentlich will er mit Grand-Slam-Titel 21 an Roger Federer und Rafael Nadal vorbeiziehen. Der Druck zur Impfung ist hoch. Ebenso wie für die Olympia-Teilnehmer. Denn für die Winterspiele in Peking, die am 4. Februar eröffnet werden sollen, sehen die Regeln für Ungeimpfte eine dreiwöchige Quarantäne nach der Ankunft vor. Wie im Tennis wäre die unmittelbare Vorbereitung auf die Wettkämpfe empfindlich gestört.

Die diversen Impfquoten

Ein Großteil der deutschen Olympioniken sei bereits vollständig geimpft, sagte der Vorstand Leistungssport des Deutschen Olympischen Sportbunds, Dirk Schimmelpfennig. Im Tennis ist die Quote (noch) gering. Top-Spieler wie der letztjährige US-Open-Gewinner Dominic Thiem aus Österreich haben angekündigt, sich impfen zu lassen. Insgesamt sind bisher rund ein Drittel der Herren auf der ATP-Tour und um die knapp 40 Prozent der WTA-Tour der Damen ungeimpft.

In anderen Sportarten lief es deutlich besser. In der Fußball-Bundesliga ist Kimmich natürlich nicht der einzige ungeimpfte Profi, gehört aber bei einer Quote von mehr als 90 Prozent unter Spielern und Trainern der 1. und 2. Liga zu Ausnahmen. In der Basketball-Bundesliga war nur ein Spieler vor Saisonbeginn bekannt, der nicht den 2G-Status hatte (99 Prozent). In der Deutschen Eishockey Liga erhöhte sich der Anteil auf 93 Prozent. Mit vielen positiven Fällen und Spiel-Absagen gab es gerade massive Probleme.

Der Blick zum US-Sport

Egal in welcher Liga, es geht um den Teamerfolg und darum, Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. «Das große Ziel ist, den Titel zu gewinnen. Und das beginnt mit Gesundheit als der Nummer eins», sagte NBA-Superstar LeBron James, der nach eigenen Angaben skeptisch war, sich aber für den Schutz entschied. Er freue sich, «dass wir uns die Gelegenheit gegeben haben, verfügbar zu sein füreinander».

In der NHL galten vor Kurzem nur vier der mehr als 700 Eishockey-Spieler als nicht geimpft. Ungeimpfte können nicht problemlos zwischen Kanada und den USA pendeln, sondern müssten jedes Mal für 14 Tage in Quarantäne nach der Einreise nach Kanada.

Strikte Regeln führen zu einer hohen Impfquote. Wer in NBA und NHL eine Partie verpasst, weil er sich nicht hat impfen lassen, bekommt kein Gehalt. In der NBA sind nach Medienangaben 95 Prozent der Profis geimpft. Prominente Ausnahme ist Kyrie Irving. Weil die Brooklyn Nets in New York trainieren und ihre Heimspiele austragen, gelten auch die lokalen Regeln – und die verpflichten Irving zu einer Impfung, sollte er sich in einer Sporthalle aufhalten wollen. So lange er seinem Team nicht komplett zur Verfügung steht, verzichten die Nets auf ihn. Pro Heimspiel verpasst er US-Medien zufolge 380.000 US-Dollar.

Im Tennis bekamen die Erstrunden-Teilnehmer der US Open 75.000 Dollar – ähnlich wird es bei den Australian Open sein. «Es wäre großartig, wenn mehr Spieler geimpft sind», sagte kürzlich die einstige Nummer eins Andy Murray: «Es ist die Entscheidung der Spieler.»

Von Kristina Puck, Jens Marx und Maximilian Haupt, dpa