«Make us dream»: Rangers-Wahnsinn zehn Jahre nach Tiefpunkt

«Make us dream»: Rangers-Wahnsinn zehn Jahre nach Tiefpunkt

Der finanzbedingte Absturz in die sportliche Bedeutungslosigkeit ist nicht einmal zehn Jahre her. Doch Begriffe wie «Insolvenz» oder «4. Liga» sind bei den Glasgow Rangers längst vergessen. 

Die Schotten haben stattdessen mit ihrer Tradition, einem starken Kollektiv und den einmaligen Fans eine Wucht erzeugt, die sie bis ins Finale der Europa League nach Sevilla getragen hat. «Wir wollen unsere Fans stolz machen», verkündete Trainer Giovanni van Bronckhorst.

Die Euphorie ist groß

In der Hitze von Andalusien steht an diesem Mittwoch (21.00 Uhr/RTL) der ganz große Fußball-Showdown gegen Eintracht Frankfurt an. «Ich bin sehr stolz auf das, was wir erreicht haben. Es fühlt sich außergewöhnlich gut an», sagte van Bronckhorst, der im vergangenen Herbst auf Steven Gerrard folgte. «Ich hoffe, wir können die Trophäe mitnehmen.» Auf dem Spiel steht nicht nur ein Titel, sondern auch das Direktticket in die Champions League.

Bis zu 100.000 Schotten sollen nach Sevilla reisen, um ihr Team zu unterstützen. «Der Slogan ‚Make us dream again‘ beschreibt den aktuellen Zustand am besten. Alle sind super euphorisch und möchten wie wir den Titel gewinnen», sagte der ehemalige Bundesliga-Profi Leon Balogun, der seit 2020 für den Club spielt. Es wäre das ideale Jahr dafür: 150 Jahre nach Clubgründung, 50 Jahre nach dem ersten und einzigen Europapokal-Titel und zehn Jahre nach dem vorläufigen Tiefpunkt, den der Verein bestens weggesteckt hat.

Ähnliche Tugenden wie Frankfurt

Gemessen am Personal sind die Rangers kein typisches Finalteam. James Tavernier als torgefährlicher Außenverteidiger oder Offensivspieler Ryan Kent haben zwar auf sich aufmerksam gemacht, sind aber keine klassischen Stars. Die Schotten zeichnen sich – ähnlich wie Gegner Frankfurt – durch mannschaftliche Geschlossenheit, Kampfgeist und Heimstärke aus. Das reichte immerhin für das Weiterkommen gegen deutlich höher gehandelte Teams wie Dortmund oder Leipzig.

Dennoch ist der Respekt vor der Eintracht groß. «Das ist eine gut organisierte Mannschaft mit schnellen und gefährlichen Spielern. Frankfurt hatte tolle Spiele gegen den FC Barcelona und West Ham United. Sie haben es verdient, im Finale zu stehen», sagte van Bronckhorst.

Dort kommt es nun zum Duell zweier Traditionsvereine – ganz nach dem Geschmack vieler Fußball-Romantiker. «In diesem Jahr wird einer die Europa League gewinnen, der nicht zu den üblichen Verdächtigen gehört», sagte Axel Hellmann. Der Eintracht-Vorstandssprecher fügte an: «Wenn die Eintracht nicht spielen würde, würde ich wissen, für wen mein Herz schlägt.»

Glasgow geht selbstbewusst ins Finale

Nämlich die Rangers, die als Kultclub eine riesige Fankultur haben und mit ihrer Spielweise Sympathien in ganz Europa erworben haben. Frankfurts Trainer Oliver Glasner nannte das Rangers-Spiel «unglaublich druckvoll und aggressiv» sowie «sehr, sehr zweikampfstark».

Tavernier, der als Außenverteidiger die Torschützenliste der Europa League anführt, ist für das Endspiel gegen die Hessen optimistisch: «Wir sind gerade voller Selbstvertrauen.» Der Ex-Mainzer Balogun nennt Frankfurt «eine machbare Aufgabe» und setzt für das Endspiel ebenfalls auf den Faktor Fans.

«Es kann absolut unangenehm werden, wenn es nicht so läuft. Trotzdem ist es absolute Liebe und Besessenheit. Das macht diese Fans aus. Ich liebe es, diese Wucht», sagte der Defensivspieler. Leipzig hat dies vor zwei Wochen erst zu spüren bekommen, als beim 1:3 in Glasgow das 1:0-Polster aus dem Heimspiel und damit auch das Ticket für ein deutsches Finale verloren ging. Ibrox sei «wie eine Urgewalt», stellte Balogun fest. Diesmal wird im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán gespielt – und beide Fangruppen haben nur 10.000 Tickets erhalten.

Von Patrick Reichardt und Eric Dobias, dpa