Oranje-Anführer Wijnaldum: In Budapest besonders gefordert

Oranje-Anführer Wijnaldum: In Budapest besonders gefordert

Ronald Koeman verfolgt die Auftritte von Oranje derzeit mit gemischten Gefühlen. Natürlich freut sich der frühere Bondscoach über die bislang guten Leistungen der Niederlande bei der Fußball-EM und den ungefährdeten Einzug ins EM-Achtelfinale.

Doch wenn Koeman die bärenstarken Auftritte von Elftal-Kapitän Georginio Wijnaldum sieht, überkommt ihn auch ein bisschen Wehmut. Schließlich wollte Koeman den Mittelfeldstrategen unbedingt zu sich zum FC Barcelona holen. Doch der spanische Topclub zögerte zu lange, weshalb Wijnaldum nun vom FC Liverpool zu Paris St. Germain geht. Als «dumm» bezeichnete Koeman das lange Warten seines Clubs.

Dass Barca-Boss Joan Laporta danach in einem Interview gegen den französischen Champions-League-Rivalen und Wijnaldum ätzte, zeigt, dass sie auch in der Führungsetage der Katalanen ihr Handeln längst bereuen. Denn Wijnaldum ist bislang eines der prägenden Gesichter dieser EM und wird auch am Sonntag (18.00 Uhr/ARD und MagentaTV) beim Achtelfinale der Niederlande gegen Tschechien in Budapest im Mittelpunkt stehen.

Dies allerdings leider nicht nur aus sportlichen Gründen. Denn es steht zu befürchten, dass der 30-Jährige wegen seiner schwarzen Hautfarbe in der ungarischen Hauptstadt zum Opfer rassistischer Beleidigungen werden könnte. Als Wijnaldum im Oranje-Campus in Zeist auf dem Pressepodium saß, ging es daher kaum um die sportlichen Aussichten der Elftal. Schließlich war zuletzt auch Kylian Mbappé beim Gastspiel der Franzosen in Budapest rassistisch beleidigt worden. Die UEFA hat Ermittlungen eingeleitet.

Nicht in der Verantwortung der Spieler

«Wenn es passiert, dann muss die UEFA eingreifen. Sie müssen verstehen, dass sie eine große Verantwortung auf die Spieler abladen, wenn sie es nicht tun. Die UEFA muss die Spieler beschützen. Es darf nicht die Verantwortung der Spieler sein», sagte Wijnaldum und nahm die UEFA in die Pflicht.

Wijnaldum hat sich vor der Partie in Budapest viele Gedanken zu dem Thema gemacht. Er wird eine Kapitänsbinde mit der Aufschrift «One Love» tragen. Er wolle nach wie vor nicht ausschließen, dass er den Platz verlassen werde, wenn es zu rassistischen Beleidigungen komme. Allerdings könnte das von gegnerischen Fans dann auch als Taktik benutzt werden. «Zum Beispiel nach dem Motto, Oranje ist besser, lass uns sie rassistisch beleidigen, dann verlassen sie das Feld und verlieren das Spiel», sagte Wijnaldum. Außer ihm gibt es im Oranje-Team zahlreiche weitere schwarze Spieler.

Die wollen wie der Rest des Teams am liebsten weiter für positive sportliche Schlagzeilen sorgen. Der Turnierbaum mit Tschechien im Achtelfinale und Wales oder Dänemark in einem möglichen Viertelfinale meint es gut mit den Niederländern. «Natürlich wollen wir ins Finale», sagte Wijnaldum, den Jürgen Klopp bei seiner Verabschiedung in den höchsten Tönen gelobt hatte. «Einen großzügigeren Menschen kann man sich nicht wünschen», hatte Klopp gesagt.

Auch sportlich hinterlässt Wijnaldum in Liverpool eine große Lücke. Das machen seine bisherigen Leistungen im Turnier deutlich. Vor allem das Zusammenspiel mit Memphis Depay sorgt dafür, dass die Oranje-Fans schon von einer Wiederholung des EM-Coups von 1988 träumen. «Die beiden machen es fantastisch», sagte Bondscoach Frank de Boer. Sein Vorgänger Ronald Koeman kann ihm da nur beipflichten – und sich ärgern, dass das Duo Wijnaldum-Depay in der neuen Saison nicht gemeinsam in Barcelona zaubert.

Kurzvorschau

Niederlande: Das Oranje-Team ist ohne große Mühe durch die Vorrunde marschiert. Nach drei Siegen ist das Selbstvertrauen groß. Die Rolle des Favoriten nehmen die Niederlande an, unterschätzen werden sie die Tschechen aber nicht. De Roon wird in die Startelf zurückkehren, im Sturm dürfte Malen erneut anstelle von Weghorst beginnen.

Tschechien: Die Tschechen sind Außenseiter – mal wieder. Es hätte kaum jemanden überrascht, wären sie in der Gruppenphase ausgeschieden. Dennoch kamen sie vor allem dank der drei Tore von Leverkusens Schick weiter. Auf den Stürmer kommt es auch gegen die Niederländer ganz besonders an.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

NIEDERLANDE: 1 Stekelenburg – 22 Dumfries, 6 de Vrij, 3 de Ligt, 17 Blind, 12 van Aanholt – 15 de Roon, 8 Wijnaldum, 21 de Jong – 18 Malen, 10 Depay

TSCHECHIEN: 1 Vaclik – 5 Coufal, 3 Celustka, 6 Kalas, 2 Kaderabek – 15 Soucek, 9 Holes – 12 Masopust, 8 Darida, 14 Jankto – 10 Schick

Schiedsrichter: Sergei Karasev (Russland)

Von Lars Reinefeld, dpa