Publikumsliebling und Problemfigur: Der Fall Hinteregger

Publikumsliebling und Problemfigur: Der Fall Hinteregger

Martin Hinteregger polarisiert. Was Österreichs Kultkicker in seiner Karriere an Schlagzeilen produziert hat, liefern andernorts ganze Fußballvereine in Jahrzehnten nicht.

Ein kleiner Auszug: Interview-Attacke gegen Trainer Manuel Baum, Suspendierung beim FC Augsburg, auf Video dokumentierter Vollrausch auf einem Volksfest, Ausplaudern von Interna und zuletzt eine öffentlich gewordene Zusammenarbeit mit einem früheren FPÖ-Gemeinderat, weswegen der 29-Jährige schwer in die Kritik geriet. So schwer wie noch nie zuvor.

Publikumsliebling halten oder Problemfall loswerden?

Für Europa-League-Sieger Eintracht Frankfurt wird der Fall Hinteregger nun zu einer gigantischen Herausforderung. Eigentlich ist «Hinti», dem die Fans sogar einen eigenen Song widmeten, absoluter Publikumsliebling, weil er authentisch, nahbar und unverstellt rüberkommt. Hinteregger, der gerne Bier trinkt und ausgelassen Feste feiert, könnte einer von ihnen sein, so wirkt es.

Doch die jüngsten Verstrickungen mit Heinrich Sickl, der neben seiner FPÖ-Tätigkeit auch Räume an die rechtsextreme Identitäre Bewegung vermietet hatte, nehmen ihm einige Fans übel. Kaum ein Verein in Deutschland grenzt sich – angeführt von Präsident Peter Fischer – so klar und entschieden gegen rechts ab. Hinteregger selbst verteidigt sich in dem Fall: «Ich habe aber von der Identitären Bewegung nichts gewusst und auch nicht, was das bedeutet. Dafür bin ich schon zu lange weg, und die Politik interessiert mich zu wenig», sagte Hinteregger der Zeitung «Der Standard».

Der Fußballer hat die Geschäftsbeziehung zu Sickl beendet, die beiden hatten unter anderem an einem gemeinsamen Fußballcup in Hintereggers Heimat Sirnitz gearbeitet. «Selbst wenn er mir gesagt hätte, dass er bei den Identitären war, hätte ich keine Ahnung gehabt, was das sein soll. Dann hätte ich aber wahrscheinlich gegoogelt», sagte Hinteregger nun.

«Verkörpere Toleranz und Weltoffenheit»

Er distanzierte sich deutlich von jeglichen rechten Theorien. «Wenn ich nur ein bisschen anders denken würde, hätte ich mir nie diesen Status und dieses Leben in Frankfurt aufbauen können. Das wäre komplett widersprüchlich, weil ich diese Toleranz und Weltoffenheit ja verkörpere», fügte Hinteregger mit Blick auf die Eintracht-Fans an.

Doch mit der Interview-Offensive, die der Nationalspieler rund um sein organisiertes Fußballturnier am vergangenen Wochenende startete, tat sich Hinteregger nicht unbedingt einen Gefallen. Aussagen wie «In Deutschland bringen viele die FPÖ und AfD auf eine Ebene, die AfD ist aber zehnmal schlimmer» kommen bei der Eintracht und den weltoffenen Anhängern nicht gut an. Dass er den Reporter, der die Vorgänge mit Sickl enthüllt hatte, bei Sky als «linksextremen Journalisten» bezeichnete, ebenfalls nicht.

Bleibt Hinteregger oder geht er? Für den Spieler ist der Fall klar. «Ich werde meine Profi-Karriere definitiv bei Eintracht Frankfurt beenden!», sagte er. Gerüchte über einen möglichen Wechsel zu Hertha BSC bezeichnete Hinteregger als «Blödsinn». «Es kommt immer darauf an, wo man sich heimisch fühlt, und ich fühle mich in Frankfurt extrem heimisch. Auch wenn ich nach meiner Profizeit wieder nach Sirnitz ziehe, werde ich aufgrund meines Restaurants noch oft in Frankfurt sein», beschrieb er. Am Mittwoch soll es laut «Bild» zu einem Treffen mit Aussprache zwischen Hinteregger und Sportvorstand Markus Krösche gekommen sein. Der Verein ließ dies unkommentiert.

Verteidiger fällt Diplomatie schwer

Aus Eintracht-Perspektive liegt der Fall nicht so einfach. Einer der Markenkerne des Europapokal-Gewinners ist Glaubwürdigkeit, gerade was politische Orientierung angeht. Hinteregger hat sich glaubwürdig gegen jegliche Vorwürfe verteidigt, manche Interview-Aussagen dürften den Verantwortlichen aber Kopfzerbrechen bereiten. Dazu kommt: Schon im Spätherbst und im April war der Verein zweimal auf Hinteregger zugegangen, um diesen um einen Abgang zu beten. Veröffentlicht hat dies jüngst Hinteregger selbst, was den Bossen ebenfalls nicht gefiel.

Diplomatie fällt dem Kärntner nach eigener Aussage schwer. Über die Medien sagte er: «Die wollen perfekte Profis wie einen Haaland und nicht welche, die aus der Maschinerie raustreten. Die mit Ecken und Kanten werden nicht mehr gewünscht, obwohl ich das gut finden würde, dass genau das gefördert wird.» Auf die Frage, ob es in der jüngeren Vergangenheit einen Lerneffekt gegeben habe, antwortete Hinteregger: «Ich wollte mich ändern, aber ich habe es nicht geschafft.»

Von Patrick Reichardt, dpa