Rassismus und Schicksalsschlag: Das Leid des Marcus Rashford

Rassismus und Schicksalsschlag: Das Leid des Marcus Rashford

Seinen Kummer behielt Marcus Rashford lange für sich. Trainer Gareth Southgate hatte deshalb keine Ahnung, was seinen Stürmer in den vergangenen WM-Tagen so sehr bewegte. Erst als Rashford beim 3:0-Sieg gegen Wales traf, zeigte er mit den Fingern in Richtung Himmel und offenbarte später den Grund dafür.

«Ich habe vor ein paar Tagen einen meiner Freunde verloren wegen Krebs. Er war eine großartige Person», sagte der 25-Jährige, als er andächtig im großen Pressekonferenzsaal saß und zu der eindrücklichen Geste im einseitigen Briten-Duell befragt wurde.

Southgate war ehrlich überrascht. «Ich wusste das nicht. Das hat man ihm nicht angemerkt, er hat es nicht gesagt. Ich habe mich gewundert, weil das kein gewöhnlicher Jubel war», sagte der Chefcoach. Rashford erlebte mal wieder einen denkwürdigen Abend im Nationaltrikot: Er traf beim souveränen Achtelfinal-Einzug doppelt, erzielte so auch das 100. WM-Tor der Three Lions und ist nun der erste englische Manchester-United-Profi seit Bobby Charlton im Jahr 1966, der bei einem Großereignis drei Tore erzielt hat.

Southgate lobt die Leistungen Rashfords

Dabei spielte Rashford in den vergangenen eineinhalb Jahren überhaupt keine Rolle in Englands Nationalteam, teilweise auch verletzungsbedingt. Sein bislang letzter Einsatz vor der WM in Katar war am 11. Juli 2021 im Wembley-Stadion. Rashford wurde in der Verlängerung des EM-Endspiels gegen Italien eine Minute vor dem Ende eingewechselt – extra für das bevorstehende Elfmeterschießen.

Doch der Stürmer verschoss bei der dramatischen Niederlage auf größtmöglicher Bühne genauso wie Bukayo Saka und Jadon Sancho. Alle drei wurden in der Folge aufs Übelste rassistisch angefeindet – und litten extrem darunter. Bei der WM glänzten erst Saka und nun Rashford mit jeweils einem Doppelpack. Nur der Ex-Dortmunder Jadon Sancho ist sportlich auf der Strecke geblieben und unter Southgate nicht mal für den 26 Spieler umfassenden Kader nominiert worden.

Das stand bei Rashford nach einer starken Hinrunde nicht mehr zur Debatte. «Im Sommer hatte ich ein langes Gespräch mit ihm. Er hatte klare Ideen, wo er ansetzen muss. Man sieht es bei ihm im Club, dass er glücklich ist und gute Leistungen zeigt in dieser Saison», lobte Southgate.

Kommt man in dieser Form an Rashford vorbei?

Die überragenden Leistungen Rashfords bringen den Cheftrainer, der in Al Wakra am Mittwoch erst einmal einen freien Tag gab, in eine Luxussituation. Eigentlich würde Southgate am Sonntag (20.00 Uhr) im Achtelfinale in Al-Chaur gegen Senegal gerne der Stammelf mit Saka und Raheem Sterling vertrauen, so hat er das auch bei der EM 2021 mit seinen Stammspielern gemacht. Aber kommt man in dieser Form an einem Rashford vorbei?

«Wir haben eine ganz andere Version als bei der EM letzten Sommer. Er hat dafür gesorgt, dass er diese speziellen Momente schafft. Er hätte einen Hattrick erzielen können. Das ist großartig für ihn und großartig für uns», lobte der Trainer. Für Rashford, der am Dienstag von der Tribüne noch Fotos mit Vertrauten postete, war es ein rührender Abend. Die Gefühle übermannten den Helden des Abends sichtlich. «Für solche Momente spielt man Fußball», sagte der Torjäger.

Saka und Rashford scheinen die Turbulenzen und die Schmähungen rund um das EM-Finale gut hinter sich gelassen zu haben. Saka sagte dazu: «Das wird für immer ein Teil von mir sein. Ich bin so dankbar, dass ich so viele Leute hier um mich habe – auch bei Arsenal. Meine Freunde und meine Familie haben den Arm um mich gelegt. Das hat mir geholfen, in diese gute Verfassung zurückzukehren.» Am Sonntag könnten Saka und Rashford um einen Platz auf der rechten Außenbahn konkurrieren.

Patrick Reichardt und Ulrike John, dpa