Silber-Pott und Königsklasse: Eintracht feiert Meilenstein

Silber-Pott und Königsklasse: Eintracht feiert Meilenstein

Mit dem Silber-Pott in den Händen kletterten Trainer Oliver Glasner und Kapitän Sebastian Rode nach der Landung der Euro-Helden von Eintracht Frankfurt als erste aus dem Sieger-Flieger.

Dann ging es in mehreren Cabrios quer durch die Mainmetropole zum großen Empfang am Frankfurter Römer, wo sich schon Stunden zuvor zigtausende Menschen eingefunden hatten, um ihre Lieblinge nach dem Triumph in der Europa League zu feiern.

Nach dem siegreichen Elfmeterdrama gegen die Glasgow Rangers in Sevilla hatten die Spieler die Nacht zum Tag gemacht. «Es war feucht-fröhlich und ging bis sechs Uhr in der Früh»,berichtete Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann nach der Landung in Frankfurt von der rauschenden Siegesparty in einem Nobel-Club der südspanischen Metropole.

«Ich lasse die Sau raus»

Selbst der sonst so ruhige Glasner – der den Pokal beim Autokorso durch die Stadt nicht aus der Hand gab – mutierte zum Partybiest. «Ich lasse die Sau raus und feiere jetzt bis Samstag durch – und am Sonntag gehe ich in den Urlaub», verkündete der 47 Jahre alte Fußball-Lehrer aus Österreich.

Die Eintracht-Profis fühlten sich nach dem zweiten internationalen Titel der Vereinsgeschichte nach dem UEFA-Cup-Sieg vor 42 Jahren wie im Märchen – sicherten sie sich neben dem massiven Pokal doch auch die erstmalige Teilnahme an der Champions League. Ein sportlicher und finanzieller Quantensprung für den Traditionsverein, der vor einigen Jahren noch als «launische Diva vom Main» bezeichnet wurde. «Es wird ein paar Jahre dauern, bis einem die Tragweite bewusst wird», sagte der von einer Kopfwunde gezeichnete Rode. Und Kevin Trapp betonte: «Wir haben immer nach Superlativen gesucht. Aber es gibt einfach kein Wort, um das zu beschreiben.»

Der Nationaltorwart war einer der Helden des dramatischen Endspiels. Erst rettete der 31-Jährige seine Mannschaft mit einer Monsterparade kurz vor dem Ende der Verlängerung in das Elfmeterschießen, wo er dann den Versuch von Aaron Ramsey parierte. «Die Jungs kamen zu mir und haben gesagt: ‚Du holst uns das Ding!‘ Die Anspannung, die es in diesem Moment gibt, kannst du nicht trainieren. Ich bin stolz, dass ich einen Teil dazu beitragen konnte», berichtete Trapp vom siegreichen Nervenduell vom Punkt.

Flick-Extralob für Trapp

Ein Extra-Lob kam von Bundestrainer Hansi Flick. Er freue sich ganz besonders für Trapp, «der maßgeblich zu diesem Titelgewinn beigetragen hat und seiner Mannschaft die gesamte Saison über ein sicherer Rückhalt, aber auch Antreiber und Motivator war», sagte Flick.

Nachdem Rafael Borré den letzten Elfmeter eiskalt zum 5:4 verwandelt hatte, herrschte Ekstase pur – auch auf den Rängen des Estadio Ramón Sánchez Pizjuán und in der Heimat, wo knapp 60.000 Fans im und rund um das Frankfurter Stadion beim Public Viewing die Daumen gedrückt hatten. Binnen Minuten füllten sich die Straßen der Mainmetropole: Autofahrer starteten Hupkonzerte, Mini-Korsos bildeten sich, Fans schwenkten ihre Schals, schrien und sangen. Fremde lagen sich jubelnd in den Armen. «Es war eine unglaubliche Europa-League-Reise. Jetzt sind wir einfach glücklich, mit den Fans feiern zu können», sagte Rode vor der großen Jubel-Party in Frankfurt.

Der Erfolg, den fast neun Millionen Menschen vor den TV-Geräten verfolgten, war die vorläufige Krönung einer rasanten Entwicklung in den vergangenen Jahren. 2017 verloren die Hessen gegen Borussia Dortmund das DFB-Pokalfinale, in dem sie ein Jahr später gegen Bayern München triumphierten. 2019 folgte der Einzug ins Halbfinale der Europa League und nun der ganz große Erfolg mit einer makellosen Bilanz: von 13 Spielen verlor die Eintracht kein einziges.

«Die Marke Eintracht Frankfurt ist in den vergangenen Jahren bereits eine internationale geworden, jetzt hat sie noch einmal an Strahlkraft gewonnen. Die Eintracht ist ein Vorbild für viele Clubs nicht nur in Deutschland», würdigte DFB-Direktor Oliver Bierhoff die ertragreiche Arbeit am Main.

Internationales Renommee verschafft

Mit ihrem Auftreten in Europa verschafften die Hessen auch der Bundesliga internationales Renommee. Immerhin lag der letzte deutsche Titelgewinn in diesem Wettbewerb schon 25 Jahre zurück. «Das ist ein herausragender Erfolg für Eintracht Frankfurt und gleichermaßen auch für den deutschen Fußball», sagte Hans-Joachim Watzke, Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball Liga und Geschäftsführer beim Vizemeister Borussia Dortmund. «Ich kann nur sagen: Herzlich willkommen in der Champions League.»

Einen Vorgeschmack auf die Königsklasse gibt es für die Eintracht schon am 10. August beim Supercup. Dann heißt der Gegner in Helsinki entweder FC Liverpool oder Real Madrid. Von Gegnern dieses Kalibers wurde am Main bisher allenfalls geträumt. Frankfurt habe gezeigt, «was Teamgeist und Begeisterung bedeuten und welche Erfolge dann möglich sind, wenn eine Mannschaft, ein Verein und die gesamte Stadt für ein gemeinsames Ziel brennen», stellte Bierhoff fest.

Wenn die Feierlichkeiten vorüber sind, wollen die Eintracht-Verantwortlichen in Ruhe über die Strategie für die nähere Zukunft beraten. Die Perspektiven sind glänzend. «Natürlich tun die zusätzlichen Einnahmen nach zwei Jahren Corona gut. Das hilft uns extrem für die Zukunft», sagte Sportvorstand Markus Krösche. Auch bei Vertragsgesprächen mit Stars wie Filip Kostic. Glasner ist von einem Verbleib des Flügelflitzers, der im vorigen Sommer mit einem Streik einen Wechsel zu Lazio Rom erzwingen wollte, überzeugt: «Er hat noch ein Jahr Vertrag. Ich denke, das war nicht sein letztes Spiel.»

Schon jetzt ist klar: trotz aller Wachstumschancen will sich der Verein treu bleiben. «Die Champions League ist natürlich außergewöhnlich für Eintracht Frankfurt, aber wir werden unsere Transferstrategie nicht ändern», verkündete Krösche. Und der «unfassbar stolze» Präsident Peter Fischer bekräftigte: «Der Wettbewerb wird härter und schärfer. Aber wir gehen jetzt nicht groß einkaufen, weil wir uns einmal für die Champions League qualifiziert haben. In diesem Verein wird es kein Harakiri geben.»

Von Eric Dobias und Patrick Reichardt, dpa