«Tennis-Geschichte»: Nadal feiert 21. Grand-Slam-Titel

«Tennis-Geschichte»: Nadal feiert 21. Grand-Slam-Titel

Überwältigt fiel Rafael Nadal nach seinem 21. Grand-Slam-Triumph auf die Knie und hielt sich ungläubig die Hände vors Gesicht. Der spanische Tennis-Star hat bei den Australian Open einen seiner unwahrscheinlichsten Titel gefeiert und sich zum Rekord-Grand-Slam-Sieger gekürt.

Am Tag nach dem Triumph von Ashleigh Barty als erster australischen Turniersiegerin seit 44 Jahren und dem historischen Festtag für australische Tennis-Fans drehte Nadal in einem geschichtsträchtigen und packenden Endspiel über fünf Sätze gegen den russischen US-Open-Champion Daniil Medwedew mit einem imposanten Kraftakt einen 0:2-Satzrückstand. 2:6, 6:7 (5:7), 6:4, 6:4, 7:5 hieß es nach 5:24 Stunden für den 35 Jahre alten Spanier. 13 Jahre zuvor hatte er seine bisher einzige Trophäe bei den Australian Open in Melbourne geholt.

Nadal von Emotionen übermannt

«Es ist eines meiner emotionalsten Matches in meiner Tennis-Karriere – und diesen Moment mit dir zu teilen, das ist eine Ehre für mich», sagte Nadal sichtlich bewegt und drehte sich immer wieder zu Medwedew um. «Das wird unvergessen und für den Rest des Lebens in meinem Herzen bleiben», versicherte der große Kämpfer und erinnerte auch an harte Zeiten der Ungewissheit: «Um ehrlich zu sein: Vor eineinhalb Monaten wusste ich nicht, ob ich auf die Tour zurückkommen kann», sagte Nadal, «und nun bin ich hier und habe diese Trophäe.»

Als Medwedew seinen Rückhand-Volley beim Matchball nicht mehr kontern konnte, hatte Nadal den Tennisschläger plumpsen lassen. Ungläubig schüttelte er den Kopf, immer wieder klopfte er auf sein Herz. Er schaffte ein märchenhaftes Comeback nach seiner langen Pause wegen seiner Fußverletzung und lieferte sich mit Medwedew das zweitlängste Endspiel der Turniergeschichte. «Ich kann nicht wirklich erklären, was ich gerade fühle, aber ich werde mein Bestes versuchen, um nächstes Jahr wieder zu kommen», kündigte er an.

Um 1.30 Uhr am frühen Montagmorgen stemmte Nadal strahlend den Norman Brookes Challenge Cup in die Höhe. Auf den Tag genau zwei Wochen nach der erzwungenen Ausreise aus Australien von Novak Djokovic setzte sich Nadal im faszinierenden Grand-Slam-Rennen vor dem Serben und dem Schweizer Roger Federer an die Spitze. Seine beiden Rivalen haben 20 Trophäen dieser wichtigsten Kategorie gesammelt – wie Nadal bis zu diesem verrückten Finale.

«Es war ein Tag für die Tennis-Geschichte!», sagte Boris Becker bei Eurosport: «Ich bin überzeugt, dass Roger (Federer) und Novak (Djokovic) das Finale auch gesehen haben – jetzt seid ihr an der Reihe nachzulegen», meinte er und lachte.

Gratulation von Federer und Djokovic

Auch seine beiden vorerst geschlagenen Grand-Slam-Rekordwidersacher gratulierten Nadal und verneigten sich vor dem Tennis-Giganten mehr oder weniger. «Was für ein Match!», schrieb Federer bei Instagram. «Fantastische Leistung», kommentierte Djokovic bei Twitter.

«An meinen Freund und großen Rivalen Rafael Nadal», schrieb der 40 Jahre alte Federer weiter bei Instagram Story. «Vor ein paar Monaten haben wir noch Witze gemacht über uns, wie wir beide an Krücken gingen. Fantastisch. Unterschätze nie einen großen Champion», betonte Federer und schrieb von Nadals unglaublichem Arbeitsethos, dessen Hingabe und dessen Kampfgeist. Sie seien eine Inspiration für ihn und viele andere in der Welt. «Ich bin stolz, diese Ära mit dir teilen zu dürfen und fühle mich geehrt, dazu beizutragen, damit du noch mehr erreichst. Wie du es für mich in den letzten 18 Jahren getan hast.»

Und auch Djokovic, der sich so sehr seinen zehnten Sieg in Melbourne und damit den alleinigen Grand-Slam-Rekord erhofft hatte, aber letztlich ungeimpft per Gerichtsentscheid wieder ausreisen musste, zollte seinen Respekt: «Immer beeindruckender Kampfgeist, der sich ein weiteres Mal durchgesetzt hat.»

Djokovic war für das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres vor dem Auftakt am höchsten gehandelt worden und wollte erreichen, was nun Nadal schaffte. Der ungeimpfte Serbe hatte vor dem Bundesgericht Australiens aber den Einspruch gegen sein annulliertes Visum verloren. Nadal nutzte die Gunst der Stunde, dass der herausragende Spieler der Melbourne-Historie fehlte.

Barty triumphiert in der Heimat

Für Damen-Siegerin Barty hatte sich am Vortag ein Kindheitstraum erfüllt. In einem lauten Schrei entlud sich nach ihrem 6:3, 7:6 (7:2) die gesamte Anspannung, nachdem sie dem Druck als große Hoffnungsträgerin der Gastgeber standgehalten hatte und sich zur ersten heimischen Turniersiegerin seit 44 Jahren gekrönt hatte. Im roten Sommerdress spritzte sie am Sonntag mit Schampus. Seit dem Turniersieg von Chris O’Neil 1978 hatte es weder bei den Damen noch bei den Herren einen australischen Erfolg gegeben. «Dies ist einfach ein Traum von mir, der wahr wird. Ich bin so stolz, ein Aussie zu sein», sagte Barty – und erhielt auch Glückwünsche von Premierminister Scott Morrison.

Die größere Spannung gab es aber im Herren-Finale. Eindrucksvoll, wie sich Nadal gegen den zehn Jahre jüngeren Medwedew berappelte und wie er den fünften Satz für sich entschied. Das Ergebnis spiegelte nicht die Dramatik des Matches wieder: Im fünften Satz führte Nadal bereits mit einem Break. Als er bei 5:4 zur Tennis-Historie aufschlug und nur noch zwei Punkte fehlten, verlor er sein Aufschlagspiel. Doch er ging gleich wieder in Führung – und hatte es wenig später geschafft. Auch die australische Tennis-Ikone Rod Laver hielt den Moment mit dem Handy fest und gratulierte dem Champion später persönlich im Fitnessraum. Dort ließ sich Nadal erst einmal auf einer Matte fallen, ehe er ausradelte. «Ich dachte, er wird müde werden», meinte Medwedew.

Nadal-Comeback nach Fußproblemen

Zwischen Mitte Juni und Anfang Januar hatte Nadal aufgrund seiner komplizierten Fußprobleme nur zwei Partien bestritten. Mit seiner Familie diskutierte er, ob es Zeit sei, sich vom Tennis zu verabschieden, sollten sich die Probleme nicht bessern.

Jetzt gewann der Sandplatz-Dominator als erst vierter Spieler – neben Djokovic, Rod Laver, Roy Emerson – jedes Grand-Slam-Event mindestens zweimal. Er triumphierte auf eine ähnliche Weise wie Federer 2017, der nach einer Knieverletzung und langer Pause in Down Under völlig überraschend gewann.

Im letzten Match des Turniers war es am Ende egal, dass Nadal in den ersten beiden Sätzen zu viele unerzwungene Fehler unterliefen. Medwedew sah zunächst lange wie der bessere Spieler aus. Es schien, als könne er wieder einem der Stars der Tennis-Szene die Show verderben. Erst vor gut vier Monaten hatte Medwedew bei den US Open in New York den Weg von Djokovic zum 21. Titel und historischen Grand Slam mit allen vier großen Titeln in einem Jahr verhindert. Cool und defensivstark trotzte der Russe in der Rod-Laver-Arena lange der Atmosphäre, denn die Sympathien waren klar auf Seiten des zehn Jahre älteren Nadal.

Im zweiten Satz störte kurzzeitig eine gegen Australiens Flüchtlingspolitik protestierende Person auf dem Platz die Partie, wurde aber schnell von Sicherheitsleuten gestoppt. Daran lag es nicht, dass Nadal trotz einer 5:3-Führung nicht den Satzausgleich schaffte. Ab Ende des dritten Satzes drehte Nadal auf und erzeugte mehr Power. Medwedew wich dagegen ein wenig von seiner Linie ab und verlor auch seine Abgezocktheit. Zwischenzeitlich diskutierte der Russe auch mit dem Schiedsrichter John Blom über durch Rufe störende Zuschauer und ließ sich am Oberschenkel massieren und behandeln. Schon das US-Open-Finale 2019 hatte sich zwischen den beiden zu einem spannenden Duell über fünf Sätze entwickelt, damals hatte Nadal mit zwei Sätzen geführt und am Ende erst im entscheidenden Satz gewonnen.

Von Kristina Puck, dpa