Titelträume und Königsklasse: Eintracht will den Pott

Titelträume und Königsklasse: Eintracht will den Pott

Mehr als 100.000 Ticketanfragen, 50.000 Fans im Finalort und eine ganze Stadt im Ausnahmezustand: Die Euphorie um Eintracht Frankfurt hat vor dem «Jahrhundert-Spiel» im Europa-League-Finale gegen die Glasgow Rangers eine völlig neue Dimension erreicht.

«Gefühlt drückt uns ganz Deutschland die Daumen, das gibt zusätzliche Energie», sagte Eintracht-Trainer Oliver Glasner vor dem Showdown mit dem schottischen Vizemeister am Mittwochabend (21.00 Uhr/RTL) in Sevilla.

Entsprechend groß ist die Zuversicht. «Die Europa-League-Gefühle sind immer größer geworden. Ich bin entspannt und mit sehr großer Freude und Stolz auf die Spieler angereist», berichtete Glasner am Dienstagabend. Kapitän Sebastian Rode kann den Anpfiff kaum erwarten: «Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich an das Spiel denke. Das wird gigantisch.» Auch Alexander Meier, der in der Mainmetropole Kultstatus genießt, erwartet ein Spektakel. «Das ist das Spiel des Jahrhunderts für die Stadt Frankfurt und den Verein», befand der frühere Eintracht-Torjäger.

42 Jahre nach dem Triumph im UEFA-Pokal will die aktuelle Generation des hessischen Fußball-Bundesligisten in die großen Fußstapfen von Vereinslegenden wie Jürgen Grabowski, Bernd Hölzenbein und Karl-Heinz Körbel treten und für den ersten deutschen Sieg in diesem Wettbewerb seit den Eurofightern von Schalke 04 vor 25 Jahren sorgen. «Dieses Finale ist schon etwas Außergewöhnliches. Wir wollen die Grenze noch einmal verschieben und natürlich den Titel holen», sagte Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann.

Mit einem Sieg in die Königsklasse

Ein Sieg würde zugleich die erstmalige Qualifikation für die Champions League bedeuten – und den 123 Jahre alten Traditionsverein sportlich und finanziell auf ein völlig neues Level katapultieren. «Es ist krass, dass du im Finale stehst und mit dem Europa-League-Sieg in die Königsklasse kommen kannst. Das ist ein extremes Denken», sagte Sportvorstand Markus Krösche.

Es wäre die vorläufige Krönung einer stetigen Entwicklung in den vergangenen Jahren seit der 2016 gegen den 1. FC Nürnberg mit Ach und Krach bestandenen Bundesliga-Relegation. Es folgten 2017 das knapp verlorene Pokalfinale gegen Borussia Dortmund, 2018 der Pokal-Triumph gegen Bayern München, 2019 der Einzug ins Europa-League-Halbfinale, 2020 der Vorstoß ins Pokal-Halbfinale und jetzt das Endspiel auf Europas großer Fußball-Bühne. «Nur der FC Bayern war in dieser Zeit erfolgreicher – und die spielen bekanntlich außer Konkurrenz», stellte Hellmann fest.

Schon jetzt hat sich der Verein in Europa einen Namen gemacht – vor allem durch den legendären Auftritt im Viertelfinale beim FC Barcelona, als 30.000 Eintracht-Anhänger im Camp Nou eine magische Fußball-Nacht zelebrierten. «Wir haben es geschafft, auf die absolute Topliste bei der Wahrnehmung in Europa zu kommen. Das ist für den Club außergewöhnlich und zeigt, dass man Grenzen verschieben kann, was in den internationalen Wettbewerben eher selten vorkommt», befand Hellmann.

«Spirit auf den Platz bekommen»

Nun soll in Sevilla gegen die Glasgow Rangers der Silber-Pott her. «Es geht darum, unseren Spirit auf den Platz zu bekommen, mit aller Begeisterung und Leidenschaft. Ich möchte Eintracht-Frankfurt-Fußball sehen, so wie gegen West Ham United und Barcelona», sagte Glasner. «Wenn uns das gelingt bin ich zuversichtlich, dass es einen positiven Ausgang geben wird.»

Darauf hoffen die Fans, von denen 50.000 in Sevilla die Daumen drücken und knapp 60.000 zum Public Viewing in und vor der Frankfurter Arena erwartet werden. Auch die Spieler fiebern schon seit Wochen dem Höhepunkt entgegen. «Es ist mit das Schönste und Größte, was wir bisher erlebt haben. Jeder, mit dem ich zu tun habe, wünscht mir Glück und glaubt auch daran, dass wir es schaffen können», sagte Nationaltorwart Kevin Trapp und versprach: «Wir werden alles versuchen, den Pokal nach Hause mitzunehmen.»

Ähnlich ist die Gefühlslage bei seinen Teamkollegen. «Wir genießen es, jetzt so im Rampenlicht zu stehen und den Adler in die Welt zu tragen», sagte Kapitän Sebastian Rode. Für BVB-Leihgabe Ansgar Knauff wurde in den vergangenen sechs Monaten «ein Traum wahr. So viele Emotionen, so ein toller Lauf bis ins Europapokal-Finale und die Spiele, die ich hier erleben durfte. Das ist einfach überragend», sagte der Mittelfeldspieler und betonte: «Wenn wir gewinnen, wird es nochmal historischer.»

Empfang auf dem Römer winkt

Im Erfolgsfall gibt es am Donnerstag einen Empfang in Frankfurt, der alles in den Schatten stellen dürfte, was in der Mainmetropole bisher stattfand. Denn der Verein bestimmt den Puls der Stadt so stark wie kaum ein anderer in Deutschland. «Die Fan-Kultur in Frankfurt ist außergewöhnlich. Man kann es nicht in Worte fassen, was dann passieren würde», sagte Trapp. Eintracht-Trainer Glasner spürt diese Euphorie fast täglich. «Ich bin immer wieder in der Stadt unterwegs. Man merkt, irgendwie ist jeder Eintracht-Fan», berichtete er.

Der im vergangenen Sommer vom VfL Wolfsburg gekommene 47 Jahre alte Österreicher ist gemeinsam mit dem von RB Leipzig geholten Sportvorstand Krösche der Architekt des Erfolges. Glasner stellt aber lieber die Mannschaft in den Mittelpunkt: «Die Spieler sind die Protagonisten, die meine Hirngespinste auf dem Platz umsetzen müssen.» Die Vorfreude ist aber auch bei ihm riesengroß: «Ich genieße es, mit diesen Jungs und diesem Verein das Finale zu bestreiten, mit der ganzen Euphorie, die wir ausgelöst haben.»

Die möglichen Aufstellungen:

Eintracht Frankfurt: Trapp – Touré, Tuta, Ndicka – Sow, Rode – Knauff, Kostic – Hauge, Kamada – Borré

Glasgow Rangers: McGregor – Goldson, Lundstram, Bassey – Tavernier, Jack, Kamara, Barisic – Ramsey, Kent – Aribo

Schiedsrichter: Slavko Vincic (Slowenien)

Von Eric Dobias und Patrick Reichardt, dpa