«Unterirdisch»: Neue DFB-Krise wegen Ethiker-Causa

«Unterirdisch»: Neue DFB-Krise wegen Ethiker-Causa

Der Deutsche Fußball-Bund ist in die nächste Krise gestolpert und weckt Erinnerungen an dubiose Machtmanöver der skandalumtosten FIFA.

Nach dem überraschenden Führungswechsel und den Rücktritten fast aller Mitglieder der Ethikkommission ist das Aufpassergremium des DFB plötzlich handlungsunfähig – und die Empörung über das Präsidium ist groß. «Das Ding ist brutal und nicht nachvollziehbar», sagte der vom Chefposten der Kommission entfernte Jurist Bernd Knobloch der Deutschen Presse-Agentur. Der ebenfalls brüskierte Theologe Nikolaus Schneider sprach von einem «unterirdischen» Verhalten.

Kummert neue Vorsitzende

Neben den beiden Männern trat auch Korruptionsexpertin Birgit Galley aus der Ethikkommission zurück – damit bleibt in dem Gremium nur Irina Kummert übrig. Die Personalberaterin war vom DFB-Präsidium mit 7:5-Stimmen als neue Vorsitzende gewählt worden. Sie soll dem Verband nun Vorschläge für die Nachbesetzungen machen. Das Gremium ist erst mit mindestens drei Mitgliedern handlungsfähig.

Die «Süddeutsche Zeitung» schrieb, der DFB habe «offenbar bewusst» den Eklat und die De-Facto-Auflösung der Kommission provoziert. Hintergrund sei, dass die Ethiker aktuell gegen Interimspräsident Rainer Koch ermitteln im Zusammenhang mit der Initiative «Fußball kann mehr» von mehreren Frauen aus dem deutschen Fußball. Koch hatte solche Vorwürfe zuletzt stets zurückgewiesen.

«Das war ein völlig korrekter Vorgang, eine absolut korrekte Wahl. Weder haben wir als DFB-Präsidium noch ich persönlich dafür gesorgt, dass über bestimmte Personen nicht abgestimmt werden soll», sagte Koch am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Und weiter: «Es war eine geheime Wahl des höchsten DFB-Gremiums in dem auch ein Rainer Koch nur eine Stimme von zwölf besitzt.» In einer Mitteilung des Deutschen Fußball-Bundes am Donnerstag hieß es: «Es besteht weder ein zeitlicher noch ein inhaltlicher Zusammenhang mit Verfahren bei der Ethikkommission.»

Erinnerungen an FIFA-Vorgänge

Auf jeden Fall hat die Causa mindestens ein Geschmäckle und erinnert an das Frühjahr 2017 und die Vorgänge im Weltverband FIFA. Der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert war damals einer der Chefs der FIFA-Ethikkommission, wurde dann aber von Gianni Infantinos Verband völlig überraschend nicht für eine weitere Amtszeit vorgeschlagen. Von dem Aus erfuhr Eckert erst durch Journalisten nach seiner Landung beim FIFA-Kongress in Bahrain. Seine Nachfolger nannte der Jurist später «weniger als ein Feigenblatt» für Infantinos FIFA.

Die Frage ist, ob die Veränderungen in der DFB-Ethikkommission nun auch im Zusammenhang mit Untersuchungen gegen Koch stehen. «Ich kann dazu nichts sagen. Ich würde es aber nicht dementieren», sagte Knobloch, der in dem DFB-internen Dauerzwist zwischen Amateuren und Profis dem Profilager um DFL-Chef Christian Seifert zuzuordnen ist – Koch ist der Vertreter der Amateure. Schneider sagte zu der Theorie, dass die Personalwechsel in der Kommission mit internen Ermittlungen zu tun haben: «Zumindest gibt es eine zeitliche Koinzidenz.»

Deutlicher wurden beide, als es um ihre Personen ging. Knobloch sei im Dezember 2020 vom DFB zugesagt worden, dass er als kommissarischer Leiter des Gremiums – der gewählte Vorsitzende Thomas Oppermann war im Oktober 2020 gestorben – weitermachen solle. Die Kommission selbst habe das sogar beschlossen. «Plötzlich kam seitens des DFB die Aussage, dass sie den Vorsitzenden bestimmen wollen», sagte Knobloch nun. Dazu habe es keine Veranlassung gegeben. Der Verband schrieb dazu am Donnerstag: Knobloch sei zu keiner Zeit Vorsitzender oder «Chef» der Ethikkommission gewesen. «Ihm wurde auch nicht zugesagt, dass er diese Position einnehmen werde.»

DFB weißt Vorwürfe zurück

Neben Kummert und Knobloch gehörte auch Schneider zum Kandidatenkreis für den Vorsitz. Er wurde dann aber nicht zur Wahl zugelassen, wie er selbst und Knobloch berichteten. Dies sei ein Grund dafür gewesen, dass alle Mitglieder der Kommission – außer Kummert – zurücktraten. Das wies der DFB zurück: «Von der Wahl wurde niemand ausgeschlossen. Gewählt werden kann aber nur, wer auch vorgeschlagen ist.» Koch sagte: «Herr Schneider stand nicht zur Wahl, weil er von keinem Präsidiumsmitglied vorgeschlagen wurde.»

«Man wird erst zu seiner Bereitschaft zur Kandidatur gefragt und dann ist man ohne jede Rücksprache plötzlich gar kein Kandidat mehr», kritisierte Schneider. «Ich hätte es für einen respektvollen Umgang gehalten, mit mir zu reden», sagte Schneider. «Es ist eine Frage des anständigen Umgangs. Ich erwarte, dass man mich nicht wie eine Figur auf einem Schachbrett hin und her schiebt. Das ist unterirdisch.»

Von Manuel Schwarz und Andreas Schirmer, dpa