Weiter sieglos: Noch viel Arbeit für Bayern-Coach Nagelsmann

Weiter sieglos: Noch viel Arbeit für Bayern-Coach Nagelsmann

Vom berüchtigten Bayern-Dusel profitierte Julian Nagelsmann gleich bei seinem Pflichtspieldebüt als neuer Trainer des deutschen Rekordmeisters.

Dass dies alleine am Ende nicht für die angestrebte zehnte Meisterschaft in Serie reichen wird, war auch dem Nachfolger des neuen Fußball-Bundestrainers Hansi Flick nach dem 1:1-Spektakel im Saison-Eröffnungsspiel bei Borussia Mönchengladbach klar. «Es ist meistens kein gutes Zeichen, wenn es so hin und her geht», sagte Nagelsmann nach seiner Bundesliga-Premiere mit den Bayern, mit denen er inklusive der schwierigen Vorbereitung weiter sieglos blieb.

«Insgesamt war es recht wild, recht zerfahren. Für Zuschauer interessant, für Trainer viel zu analysieren», meinte der 34-Jährige nach einem Spiel, das nicht nur seiner Meinung nach auch 4:4 oder 5:5 hätte ausgehen können. Dass es bei den Toren von Alassane Plea (10. Minute) für Gladbach und Tormaschine Robert Lewandowski (42.), der saisonübergreifend im elften Spiel in Serie für die Bayern traf, blieb, lag vor allem am überragenden Gladbacher Keeper Yann Sommer. Zum Teil aber auch an Schiedsrichter Marco Fritz, der in zwei kniffligen Situationen in der Schlussphase jeweils keinen Strafstoß für die Gastgeber gab. «Eine Frechheit», echauffierte sich nicht nur der starke Gladbacher Kapitän Lars Stindl anschließend bei DAZN.

Bayern mit Dusel

Auch die Bayern waren sich ihres Glücks bewusst. «Ja, da können wir uns nicht beschweren, wenn es Elfmeter gibt», bekannte Nationalspieler Leon Goretzka zur ersten von zwei strittigen Szenen (81. und 83.) zwischen Bayerns neuem Abwehrchef Dayot Upamecano und Marcus Thuram. «Wenn so viel darüber diskutiert wird, ist es meistens ein Zeichen dafür, dass man sie geben kann», sagte auch Nagelsmann.

Obwohl der neue Bayern-Coach anders als sein Vorgänger und Titelsammler Flick, der in Gladbach in zwei Spielen zweimal verlor, bei der Borussia mal wieder punktete, wartet noch viel Arbeit auf den selbstbewussten Ex-Leipziger. «Da kriegen wir schon noch eine bissl bessere Struktur rein», sagte Nagelsmann, den wie sein Kollege Adi Hütter als neuer Coach der Borussia dasselbe Problem plagt: Etliche EM-Teilnehmer kamen zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlicher Verfassung im Sommer zurück und sorgten für eine herausfordernde Vorbereitung. «Man hat gesehen, dass beide Teams noch Luft nach oben haben. Es war uns vorher schon bewusst, dass wir noch ein paar Schritte zu gehen haben», sagte Nagelsmann.

Die neuformierte Bayern-Abwehr wirkte teilweise orientierungslos und alles andere als titelreif. Der von Nagelsmann aus Leipzig für etliche Millionen Euro mitgebrachte Upamecano agierte nicht nur in den strittigen Szenen mit Thuram zumindest ungeschickt. Da die französischen Weltmeister Benjamin Pavard und Lucas Hernandez noch verletzt fehlen, kam der erst 21 Jahre alte Josip Stanisic aus dem Regionalliga-Kader der Bayern zu seinem zweiten Bundesliga-Einsatz.

Defensiv Luft nach oben

«Das wird ein Top-Bundesligaspieler», sagte Nagelsmann über das Talent, das freilich noch etwas Zeit benötigt – so wie das gesamte Spiel der Bayern, in dem es noch an Automatismen des neuen Trainers mangelt. «Dass wir uns defensiv verbessern wollen, ist völlig klar», gestand Nagelsmann, dem seine Akteure noch zu wild «kreuz und quer» liefen: «Danach wird es schwierig, die Räume zu schließen.»

Viel Zeit zum Arbeiten bleibt jedoch nicht. Bereits am Dienstag steht das Supercup-Prestigeduell bei Borussia Dortmund an. «Ich würde gerne mehr trainieren. Aber es ist, wie es ist», bekannte der ehrgeizige, aber als Seniorentrainer noch titellose Nagelsmann.

Erfreuter sprach der Bayern-Coach wie alle anderen Akteure über die Kulisse von 22 925 Zuschauern im unter Corona-Bedingungen ausverkauften Borussia-Park. Seit rund anderthalb Jahren hatte es dies pandemiebedingt nicht mehr gegeben. «Ich hatte schon beim Einlaufen Gänsehaut», sagte Gladbachs Keeper Sommer, der mit seinen Paraden zum besten Spieler des Spiels wurde. «Es hat sich angefühlt, als wären hier 50 000 im Stadion», sagte Borussen-Kapitän Stindl alles anderes als übertrieben.

Von Carsten Lappe und Morten Ritter, dpa