Wolfsburg gegen Hertha: Duell der Enttäuschten

Wolfsburg gegen Hertha: Duell der Enttäuschten

Geld schießt manchmal auch weit am Tor vorbei. Der VfL Wolfsburg hat vor dieser Saison rund 50 Millionen Euro in einen Kader investiert, der sich gerade für die Champions League qualifiziert hatte.

Hertha BSC bekam von seinem Investor Lars Windhorst in den Jahren 2019 bis 2021 sogar rund 375 Millionen zur Verfügung gestellt. Trotzdem spielt an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) nur der Tabellen-14. gegen den Tabellen-13., wenn beide Clubs in der Fußball-Bundesliga aufeinandertreffen. Es ist ein Krisenduell, das es in diesem Ausmaß eigentlich nicht geben dürfte, wenn die Formel «Geld schießt Tore» wirklich immer und überall gelten würde.

Der große Unterschied zwischen beiden Clubs ist: Die Berliner suchen seit Jahren nach Stabilität und der richtigen Strategie. Auch der aktuelle Kader spielt entgegen aller Hoffnungen wieder bloß gegen den Abstieg, weil seit 2019 sechs verschiedene Trainer und drei Sportchefs daran herumgeschraubt haben. Die Wolfsburger dagegen hatten bis zum vergangenen Sommer sportlich alles, wonach die Hertha strebt. Doch der Erfolgshunger, die fußballerische Identität und ein nahezu blindes Verständnis auf dem Platz sind in einer atemberaubend kurzen Zeit von wenigen Monaten nahezu komplett verschwunden. Und es ist dieser «freie Fall» (Sportchef Jörg Schmadtke), der die Situation in Wolfsburg aktuell noch gefährlicher macht als die in Berlin.

Schmadtke vertraut auf Kohfeldt

Denn nach dem enttäuschenden Rückrunden-Auftakt in Bochum (0:1) und der achten Pflichtspiel-Niederlage in Serie geht es absehbar auch wieder um die Zukunft des erst Ende Oktober verpflichteten Trainers Florian Kohfeldt, auch wenn Schmadtke gern weiter mit dem langjährigen Werder-Coach zusammenarbeiten möchte. «Das Vertrauen ist da», sagte der Geschäftsführer Sport der Deutschen Presse-Agentur. «Ich sehe seine Arbeitsweise. Ich sehe, wie er Woche für Woche mit der Mannschaft umgeht und welche Inhalte er installiert. Nichtsdestotrotz wissen wir alle: Es kommt irgendwann ein Punkt, an dem Dinge schwer haltbar sind. Von dem Punkt sind wir aber noch entfernt. Die Überzeugung überwiegt nach wie vor das aktuelle Bild.»

Die Hoffnung in Wolfsburg ist, vor allem in den nächsten Heimspielen gegen Hertha und den Tabellenletzten SpVgg Greuther Fürth wieder in die Spur zu kommen. Doch welche Dynamik ein solcher Absturz bekommen kann, weiß man an kaum einem anderen Bundesliga-Standort so gut wie in der Volkswagen-Stadt. Bereits in den Jahren nach der deutschen Meisterschaft 2009 und dem DFB-Pokal-Sieg 2015 wäre der VfL beinahe in der Zweiten Liga gelandet. Für eine gewisse Sättigung oder einen Spannungsabfall im Team ist dieser Club offenbar besonders anfällig.

Es gebe mehrere Erklärungen für den Einbruch in dieser Saison, sagte Schmadtke. «Aber die möchte ich nicht öffentlich ausbreiten.» Dass Kohfeldts Vorgänger Mark van Bommel so radikal mit der Erfolgsformel des Ex-Trainers Oliver Glasner brechen wollte, ist ein Grund. Ein Schlendrian in der Kabine sei «zumindest ein Faktor, den man nicht völlig außer Acht lassen sollte», bestätigte der Sportchef.

Fragezeichen hinter Personalentscheidungen

In der Rückschau war es ein Fehler, den Kader nach drei erfolgreichen Jahren zusammenzuhalten, statt neue Impulse zu setzen. «Das ist ein bisschen so, wie am Sonntag die Lottozahlen vom Samstag zu benennen. Aber der Diskussion stelle ich mich», sagte Schmadtke. «Wir haben im Sommer Entscheidungen getroffen, die aus vollster Überzeugung geschahen und die den Gedanken hatten, dass wir eine homogene, stark leistungsorientierte Gruppe behalten, die den nächsten Schritt gehen will. Aus heutiger Sicht kann man dahinter ein Fragezeichen stellen.»

In Wolfsburg wie in Berlin ist längst klar, dass es in dieser Saison nur noch darum geht, in der Bundesliga zu bleiben. Mehr nicht. Ob man den versäumten Kaderveränderungen nun im Sommer nachholen werde, wurde der VfL-Sportdirektor Marcel Schäfer vor dem Hertha-Spiel gefragt. Seine Antwort war: «Es ist zu früh, jetzt an den Sommer zu denken. Das würde die Situation verkennen.»

Von Sebastian Stiekel, dpa