Am Tag nach seinem Gold-Triumph war Vinzenz Geiger in Gedanken nicht bei Party und Champagner, sondern bei seinen quarantänegeplagten Teamkollegen Eric Frenzel und Terence Weber.
Pure Freude oder ausgelassene Feierstimmung lag dem 24-Jährigen fern, obwohl er mit dem Olympiasieg in der Nordischen Kombination rund 18 Stunden zuvor seinen größten Karriere-Erfolg errungen hatte. Demütig, dankbar und nachdenklich präsentierte sich der Oberstdorfer in Zhangjiakou. «Ich denke täglich an sie», sagte er. «Das geht einem vor dem Rennen und nach dem Rennen immer durch den Kopf.»
Schon kurz nach dem spektakulären Wettkampf, in dem sich Geiger in einem furiosen Sprint den nicht mehr für möglich gehaltenen Sieg gesichert hatte, hatte er reflektiert gesagt: «Es gibt, glaube ich, wichtigere Dinge im Leben als Sport. Das denkt man sich dann schon öfters mal, wenn man die zwei da in so einem Hotel hocken sieht jeden Tag.»
Hoffen auf Frenzel und Weber
Geiger hofft, beide möglichst schnell wieder treffen zu dürfen. Der tägliche Kontakt ins Quarantäne-Hotel nur über technische Hilfsmittel soll endlich wieder von persönlichen Begegnungen abgelöst werden. Die große Hoffnung: Wenn in der kommenden Woche bei den Kombinierern die nächsten Winterspiele-Medaillen vergeben werden, sollen Rekord-Weltmeister Frenzel und der in dieser Saison starke Weber wieder dabei sein. Ob das bis zum Einzel auf der Großschanze am Dienstag oder überhaupt klappt, ist jedoch völlig offen.
Wie Geiger betonte auch Bundestrainer Hermann Weinbuch die Auswirkungen des Corona-Schocks auf das Team. «Das belastet die ganze Mannschaft doch sehr, weil es denen natürlich nicht so gut geht und wir da mitfühlen», sagte der Erfolgstrainer. «Dementsprechend wäre es für uns sehr, sehr wichtig, wenn die zwei ins Team zurückkommen, um eben auch mehr innerliche Freude zu haben.»
Bundestrainer emotional
Weinbuch war deutlich anzumerken, wie nah ihm die Situation geht. Der 61-Jährige sprach auf einer Pressekonferenz des deutschen Teams davon, dass Frenzel und Weber, die bei der Einreise nach China positiv auf das Coronavirus getestet worden waren, «eingesperrt» seien. «So empfinden wir das.» Der erfahrene Coach sagte: «Der eine steckt es nicht so weg, dem anderen geht es ein bisschen besser.»
Von den positiven Tests war auch Geiger vor seinem Gold-Rennen direkt betroffen gewesen. Er durfte zwar trainieren und musste nicht in Quarantäne. Als enge Kontaktperson hielt er sich aber ebenfalls von seinen Teamkollegen und Betreuern fern und unterlag Einschränkungen. «Wenn dann mal der Druck irgendwann abfällt, merkt man schon, wie das Energie gezogen hat – der ganze Tag, die ganze Woche», sagte er und freute sich auf eine Pause. Auslaufen und vielleicht ein bisschen Tischtennisspielen, so beschrieb Weinbuch das Tagesprogramm.
Dass seine Sportler körperlich topfit sind, weiß der Trainer. Die Goldmedaille gleich im ersten Olympia-Wettkampf nimmt zusätzlich Erfolgsdruck. Sorge bereitet mit Blick auf das Einzel und die Staffel eher die mentale Verfassung aufgrund der außergewöhnlichen Umstände. «Da weiß ich nicht, wie wir das alles wegstecken können und uns auf unseren Sport konzentrieren können», sagte Weinbuch.