Als Mark Cavendish nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus seine Teamkollegen mit bandagierter Schulter herzte, wirkten die liebevollen Umarmungen nicht wie ein Abschied.
Sein Chef Alexander Winokurow öffnete dem Superstar sogleich die Tür für einen weiteren Anlauf auf das große Ziel. «Ja, wir wollen, dass Mark im Jahr 2024 weitermacht und seine 15. Tour de France bestreiten kann, um seine 35. Etappe zu gewinnen», sagte der frühere Telekom-Profi der «L’Équipe». «Wir sind bereit, ihm diese Möglichkeit zu bieten. Aber er wird entscheiden.»
Tür steht weit offen
Eine Entscheidung, für die sich der 38-Jährige sicherlich etwas Zeit einräumen wird. Natürlich ist da auf der einen Seite der Traum, zum alleinigen Rekord-Etappensieger der Tour aufzusteigen. Momentan teilt sich Cavendish diese Bestmarke mit Eddy Merckx. Dieser Traum war am Samstag eigentlich zerplatzt, als sich der Brite auf der achten Etappe bei einem Sturz das Schlüsselbein brach und aufgeben musste. Es sollte seine letzte Tour, sein letztes Jahr im Peloton sein, so hatte es Cavendish im Mai verkündet.
Allerdings wird auch Cavendish sein Alter spüren. Ob er mit dann 39 Jahren noch die Explosivität hat, einen Massensprint bei der Tour zu gewinnen, ist kaum einzuschätzen. Doch Winokurows Worte dürften die Hoffnungen seiner Fans auf eine erneute Tour-Teilnahme vergrößern. Am Sonntag kehrte Cavendish zunächst nach Hause zurück.
Rückkehr trotz angekündigtem Karriereaus möglich
Der Ex-Weltmeister ließ bis zu seinem Aus seine Klasse vereinzelt aufblitzen, musste allerdings auch Rückschläge hinnehmen. Mehrmals musste er zusehen, wie sein junger Kontrahent Jasper Philipsen beeindruckende drei Siege in Serie einheimste. Am Freitag wurde es besonders bitter, als Cavendish sich in Bordeaux mit dem zweiten Rang hinter dem Belgier begnügen musste. Probleme mit der Schaltung hatten den in Führung liegenden Cavendish ausgebremst, Philipsen zog auf den letzten 30 Metern noch vorbei.
Am Samstag folgte der schmerzhafte Schlussakt, als Cavendish mit dem Vorderrad das Hinterrad eines anderen Fahrers berührte und zu Fall kam. Die Bilder, wie er mit leerem Blick im Kleinbus des Tour-Arztes saß, betrübten die Radsportwelt. «Es ist schade, wenn eine Legende die Tour so verlassen muss», sagte Mads Pedersen, der Etappensieger vom Samstag. Auch Superstar Tadej Pogacar bedauerte das Aus. Tourdirektor Christian Prudhomme ehrte Cavendish: «Er ist der beste Sprinter der Tour-Geschichte.»