Auftaktflop: Lewandowski und Polen droht frühes Aus

Robert Lewandowski versuchte es nach dem  Auftaktflop seiner Polen mit nüchterner Analyse, die heimischen Medien hingegen rechneten direkt mit dem abgetauchten Weltfußballer ab.

«Mit dem Ball am Fuß gelang ihm nichts» und «er gehörte zu den Schwächsten auf dem Spielfeld», prangerte die «Gazeta Wyborca» den 32 Jahre alten Superstar vom FC Bayern München an. Kapitän Lewandowski und seinen Mitstreitern droht nach dem enttäuschenden 1:2-Auftakt gegen Außenseiter Slowakei in St. Petersburg mal wieder ein früher K.o. in der Gruppenphase. Schon das Duell mit Ex-Weltmeister Spanien am Samstag (21.00 Uhr) hat nun immense Bedeutung für die Polen.

«In keiner leichten Lage»

Dem hochdekorierten Lewandowski, der mit der Empfehlung sämtlicher Club- und Einzeltitel zur EM angereist war, könnte es bei dem paneuropäischen Turnier wie bei der EM 2012 oder der WM 2018 gehen, als Polen schon in der Vorrunde gescheitert war. «Wir müssen die Verantwortung auf unsere Schultern nehmen. Wir haben natürlich noch zwei Spiele vor uns, aber das erste mit dem theoretisch schwächsten Gegner haben wir verloren. Deshalb sind wir in keiner leichten Lage», sagte der Stürmerstar, der kaum Bälle bekam und die wenigen Zuspiele nur unzureichend verarbeitete.

Der frühere DFB-Kapitän Michael Ballack sagte bei MagentaTV: «Ich glaube, er war 90 Minuten mehr oder weniger frustriert.» So klang der Topstürmer auch selbst: «Einerseits wäre es gut gewesen, mehr Pässe, mehr Möglichkeiten gehabt zu haben. Andererseits muss ich mich der Situation anpassen. Das ist die EM, du wirst nicht so viele Chancen bekommen. Das ist mir bewusst.»

Magere Turnier-Ausbeute

Während sich Lewandowski als Vereinsfußballer inzwischen alle Ziele und Träume erfüllt hat, erlebt er im Einsatz für sein Heimatland immer neue Flops und Enttäuschungen. Zum einen, weil den Mitspielern in Abwesenheit der verletzten Arkadiusz Milik und Krzysztof Piatek die Qualität fehlt. Zum anderen, weil sich Lewandowski ohne sein gewohntes Umfeld in München oft schwer tut, in wichtigen Spielen so aufzutrumpfen, wie man es von ihm kennt. In zwölf Turnierspielen bei WM oder EM hat Lewandowski seit 2012 nur zwei Tore erzielt.

Abwehrchef Jan Bednarek kritisierte ganz offen: «Wir müssen das als Männer hinnehmen. Jeder muss jetzt in den Spiegel gucken und sich fragen, ob er mehr hätte tun können.» Die Slowakei um Routinier Marek Hamsik galt als machbare Startaufgabe, es wird nun jedenfalls nicht leichter für Lewandowski und sein Team. Nach dem Gastspiel beim ehemaligen Weltmeister in Sevilla wartet zum Abschluss ein Duell mit den Schweden, die beim 0:0 gegen Spanien ihre enorme Defensivqualität bewiesen und denen im Finale der Gruppe bereits ein Punkt reichen könnte. Die Ausgangslage ist für Polen also maximal ungünstig.

Bei der Analyse des Auftakts wollten alle möglichst detailliert das Wirken Lewandowskis beschreiben. Von «ausgeschaltet» (Ondrej Duda) über «neutralisiert» (Slowakei-Coach Stefan Tarkovic) bis «erloschen» (polnische Medien) fielen allerlei Begriffe für den ganz schwachen Auftritt des Mannes, der die vergangene Bundesliga-Saison mit 41 Toren abschloss und damit einen fast 50 Jahre alten Rekord von Fußball-Legende Gerd Müller übertraf.

Und nun ein langer Urlaub nach einem frühen EM-Aus? Es deutet zumindest nicht so viel darauf hin, dass sich die Polen so schnell so deutlich steigern können. Ohne Milik (Olympique Marseille) und Piatek (Hertha BSC) fehlen Lewandowski vorn wichtige Kombinationspartner. Der Superstar selbst hat in den zwölf Monaten nach dem Neustart zudem ein XXL-Programm hinter sich, war körperlich und mental bei der Jagd nach Rekorden, Auszeichnungen und Teamtiteln dauerhaft gefordert.

«Das Zentrum des Spiels war zu weit weg von Robert. Unser Angriff hat nicht so funktioniert, wie er sollte», stellte Nationaltrainer Paulo Sousa, der früher bei Borussia Dortmund spielte, fest. Es ist ein Déjà-vu mit Ansage, quälten sich die Polen schon in den bisherigen fünf Länderspielen des Jahres ziemlich herum. Dass Torhüter Wojciech Szczesny, der beim Turnierauftakt 2012 und 2018 jeweils patzte, mit einem unglücklichen Eigentor zu einem Gesicht des Fehlstarts wurde, steht sinnbildlich für Lewandowskis Jahre im Nationaltrikot.

Von Patrick Reichardt und Doris Heimann, dpa