Jule Niemeier breitete ihre Arme aus und zeigte dem Publikum dann die Siegerfaust: Deutschlands letzte Turnier-Hoffnung hat bei den US Open erneut abgeliefert.
Nachdem die 23-Jährige schon vor zwei Monaten in Wimbledon mit dem Viertelfinal-Einzug überrascht hatte, setzt sie auch in New York ihre erfolgreiche Reise fort. Niemeier besiegte in der zweiten Runde die in der Weltrangliste um 70 Plätze besser platzierte Julija Putinzewa aus Kasachstan dank Nervenstärke und soliden Grundschlägen mit 6:4, 6:3. Am 3. September spielt die Dortmunderin gegen die Chinesin Zheng Qinwen um den Achtelfinal-Einzug. Dort könnte es zu einem Duell gegen die Weltranglisten-Erste Iga Swiatek aus Polen kommen.
«Ans Achtel- oder Viertelfinale denke ich noch gar nicht. Heute bin zufrieden und glücklich», sagte Niemeier bei Eurosport. Nach dem schwachen Start habe sie sich «extrem gut» auf dem Platz gefühlt. Auch Bundestrainerin Barabara Rittner war zufrieden: «Sie ist ruhig geblieben, hat ihr Spiel durchgezogen und absolut verdient gewonnen.»
Sieg mit Dynamik und Schlaghärte
Niemeier ist die einzig verbliebene deutsche Tennisspielerin beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres. Bei den Männern stand erstmals seit 38 Jahren kein deutscher Profi in der zweiten Runde des Hartplatzturniers im Flushing-Meadows-Park. Aufgrund der Startabsagen des nicht ganz fitten Olympiasiegers Alexander Zverev und der schwangere Angelique Kerber sowie des Lospechs waren die Erwartungen im deutschen Lager aber ohnehin sehr gering gewesen.
Gegen die gebürtige Russin Putinzewa, die seit 2012 für Kasachstan startet und die Niemeiers Trainer Christopher Kas als «Verteidigungs-Künstlerin» bezeichnete, hatte die Deutsche zunächst Probleme. Doch nach einem 0:3-Rückstand im ersten Satz fand Niemeier deutlich besser zu ihrem Rhythmus und knüpfte an ihre starke Leistung aus dem Auftaktsieg gegen die frühere Australian-Open-Gewinnerin Sofia Kenin an. Mit ihrer Dynamik und Schlaghärte brachte sie die erfahrenere Putinzewa zur Verzweiflung.
Putinzewa, die laut Kas immer wieder «für das ein oder andere Mätzchen» gut ist, half auch ein medizinisches Time-Out zur Behandlung eines eingerissenen Fingernagels nichts. «Ich wusste, dass sie sehr giftig auf dem Platz sein kann», sagte Niemeier: «Mich hat das aber nicht wirklich beschäftigt, dass sie zwei, drei Mal den Schläger geworfen hat. Sie war für ihre Verhältnisse noch relativ ruhig.»
Williams eine Runde weiter: «Ich bin nur Serena»
Niemeier steht erstmals in ihrer Karriere im Hauptfeld der US Open, es ist erst ihr drittes Grand-Slam-Turnier. Durch die beiden Auftaktsiege wird Deutschlands Tennis-Hoffnung in der Weltrangliste vom aktuellen Platz 108 einen großen Sprung nach vorne machen.
In der Nacht zu Donnerstag hatte es derweil ein kleines Williams-Wunder gegeben. Die Tennis-Ikone Serena Williams besiegte entgegen aller Vorhersagen die Weltranglisten-Zweite Anett Kontaveit und zog überraschend in die dritte Runde ein. «Ich bin nur Serena», erklärte die 23-malige Grand-Slam-Turniersiegerin ihren 7:6 (7:4), 2:6, 6:2-Coup gegen die favorisierte Estin: «Ich bin eine ziemlich gute Spielerin».
Williams erkämpfte sich vor ihrem nahenden Karriereende mindestens ein weiteres Grand-Slam-Einzelspiel. Am Freitag trifft die 40-Jährige auf die Australierin Ajla Tomljanovic. «Ein bisschen steckt noch in mir», sagte sie mit einem Lächeln. Kaum Spielpraxis, abgerutscht auf Weltranglistenplatz 605, vor den US Open schwache Ergebnisse – trotzdem liefert Williams in New York bislang eine beeindruckende Show.