Superstar Lewandowski: Allmächtig und doch ungreifbar

Superstar Lewandowski: Allmächtig und doch ungreifbar

Robert Lewandowski ist bei der polnischen Nationalmannschaft nicht nur Kapitän, Superstar und Rekordspieler. Der Weltfußballer des FC Bayern München ist auch der Chef.

Er ist quasi die polnische Nationalmannschaft. Diese Erfahrung musste im Januar auch Jerzy Brzeczek machen. Der Onkel des langjährigen Dortmunders Jakub Błaszczykowski war bis dahin Nationaltrainer Polens. Und er war durchaus erfolgreich. Doch dann wurde er plötzlich entlassen. Warum?

Die meisten Experten vermuten, dass es mit der im September 2020 erschienen Biographie Brzeczeks mit dem Titel «Im Spiel» zu tun hatte. Dort hatte er davon berichtet, dass Lewandowski «schwierig» sei. Er habe zu Beginn versucht, Brzeczek «einzunorden. Er wollte prüfen, ob ich Ahnung vom Fußball hatte oder nicht», schrieb Brzeczek: «Und alle sahen dabei zu.»

Brzeczeks Vorgänger Adam Nawalka hatte die Sonderstellung Lewandowskis früh erkannt und akzeptiert. Wie das Portal «Goal.pl» schreibt, habe er ihm gar «eine beratende Funktion» eingeräumt. Beim Training während der WM 2018 habe Lewandowski zeitweise am Rand neben seinem Trainer gestanden und die Kollegen beobachtet.

Fast ein Heiliger

Brzeczek verweigerte dem uneingeschränkten Superstar diesen Sonderstatus. Wodurch er bei Verbandschef Zbigniew Boniek, vor Lewandowski wohl Polens größter Fußballer, aneckte. Die Biografie erschien dann genau zu der Zeit, als Lewandowski zum Weltfußballer gewählt wurde. Und damit, wie die Zeitung «Gazeta Wyborcza» urteilte, den Friedensnobelpreisträger und ehemaligen Arbeiterführer Lech Walesa als weltweit bekanntesten, lebenden Polen ablöste. Lewandowski ist ein Volksheld, fast ein Heiliger. Ein Votum nach dem Motto «er oder ich», kann man nur verlieren.

Natürlich ist Lewandowski auch die große Hoffnung der Polen bei dieser EM, in die sie am Montag (18.00 Uhr/ARD und Magenta TV) gegen die Slowakei einsteigen. Das Problem: Er ist quasi die einzige. Und mit einem Team, aus dem kein weiterer Feldspieler bei einem internationalen Topclub unter Vertrag steht, stößt auch ein Weltfußballer an seine natürlichen Grenzen.

Ein Lewandowski allein reicht nicht

Und die sind ziemlich genau bestimmbar: Sobald es bei großen Turnieren gegen die großen Gegner geht, reicht ein Lewandowski alleine nicht. In der Qualifikation zur EM 2016 (13 Tore in 10 Spielen) und zur WM 2018 (16 in 10) wurde er jeweils Torschützenkönig. Doch bei den Turnieren traf er nach dem ersten Turniertor der EM 2012 in zehn Einsätzen nur noch einmal.

Daran, da sind sich die polnischen Medien einig, trägt er allerdings die geringste Schuld. «Wenn Lewandowski das Trikot der Nationalmannschaft anzieht und sich für ein paar Cent abschwitzt, fliegt er ein paar Stockwerke tiefer», schrieb die «Gazeta Wyborcza». Bei den Nationalmannschaften müssten eben «im Extremfall Stars auch mit Stümpern zusammenarbeiten».

Im Umkehrschluss liebten die Polen ihn zwar, sich mit ihm zu identifizieren sei wegen einer gewissen Entrücktheit aber schwer. «Wir bejubeln seine Leistungen bei Bayern München als unsere eigenen. Aber es ist schwer, sich einen Polen vorzustellen, der weniger typischer Pole ist als er», schrieb die «Gazeta»: «Er plant jede Sekunde, hat die Trennung von Berufs- und Privatleben aufgehoben und handelt mit pathologischer Konsequenz.» Die «Rzeczpospolita» erkannte eine «Obsession der Vollkommenheit».

Zur Vollkommenheit fehlt Lewandowski eben noch ein Erfolg oder zumindest ein Ausrufezeichen mit der Nationalmannschaft. Sehr viele Möglichkeiten dazu bleiben dem fast 33-Jährigen bei aller Fitness nicht. Am besten fängt er direkt am Montag damit an.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

Polen: 1 Szczesny – 4 Kedziora, 15 Glik, 3 Dawidowicz – 10 Krychowiak, 14 Klich, 19 Frankowski, 26 Puchacz, 20 Zielinski – 9 Lewandowski, 24 Swierczok

Slowakei: 1 Dubravka – 2 Pekarik, 5 Satka, 14 Skriniar, 15 Hubocan – 19 Kucka, 25 Hromada – 18 Haraslin, 8 Duda, 20 Mak – 9 Bozenik

Schiedsrichter: Ovidiu Haţegan (Rumänien)

Von Holger Schmidt und Doris Heimann, dpa