Klopp und die «Trümmer seines Anfield-Imperiums»

Klopp und die «Trümmer seines Anfield-Imperiums»

Nach der schlimmsten Europapokal-Heimniederlage der Clubgeschichte ist die Aufbruchstimmung beim FC Liverpool schon wieder verflogen. Das niederschmetternde 2:5 (2:2) gegen Real Madrid machte die zarte Hoffnung auf eine Trendwende bei den Reds, die nach zwei Premier-League-Siegen aufgekommen war, zunichte.

Britische Medien ließen nach dem Debakel gegen Angstgegner Real kaum ein gutes Haar an Jürgen Klopps Mannschaft. Aber der Trainer selbst blieb von der Kritik verschont. Die Zeitung «Guardian» sah «eine absolute Zerstörung» Liverpools. Das Team sei «zeitweise einfach auseinandergefallen». Klopp stehe vor «den Trümmern seines Anfield-Imperiums» resümierte das Boulevardblatt «The Sun». Viele Medien sprachen vom Ende einer Ära, allerdings nicht für den Coach, sondern für seine derzeitige Mannschaft. «Jürgen Klopps erste große Liverpool-Phase ist vorbei», befand der «Telegraph», «jetzt muss er eine neue aufbauen.»

Liverpools Kader fehlt es an Breite

Nachdem Liverpool – im Vergleich zu anderen Premier-League-Vereinen wie dem ebenfalls kriselnden FC Chelsea oder Manchester United – zuletzt zurückhaltend auf dem Transfermarkt agierte, muss der Club im Sommer aktiv werden. Der Kader ist nicht breit genug aufgestellt, um in mehreren Wettbewerben konkurrenzfähig zu sein. Im Mittelfeld und in der Defensive fehlt es Klopp an Alternativen.

Vor knapp einem Jahr waren sich die Teams im Champions-League-Finale (1:0 für Madrid) noch auf Augenhöhe begegnet. Nun wurde ein Klassenunterschied deutlich. Klopp versuchte der Klatsche im eigenen Stadion dennoch etwas Gutes abzugewinnen. Schließlich hatte seine Mannschaft nach einer Viertelstunde mit 2:0 geführt. «Wie wir in das Spiel gestartet sind – und das in unserer derzeitigen Situation – da ist es wirklich wichtig, dass wir die positiven Schritte sehen», sagte der 55-Jährige. «Ich glaube, abgesehen von den beiden Gegentoren, war die erste Hälfte die beste, die wir in der gesamten Saison gespielt haben.»

Darwin Nunez (4. Minute) und Mohamed Salah (14.) trafen im Stadion Anfield früh für die Gastgeber, bevor Vinicius Junior (21./36.) per Doppelpack ausglich. In der Halbzeitpause schien die Partie noch völlig offen. «Da denkt man sich: Ok, das ist passiert. Jetzt müssen wir so und so spielen, und wenn wir das machen, dann wird Real Probleme kriegen», berichtete der Liverpool-Coach. Es kam anders.

Nach dem Wiederanpfiff ging es für seine Elf sehr schnell. Zu schnell. Innerhalb von zehn Minuten stellten Eder Militao (47.) und Karim Benzema (55.) den FC Liverpool kalt, bevor Benzema (67.) endgültig alles klarmachte für den Titelverteidiger. In Militaos Tor sah Klopp den Knackpunkt. «In dem Moment haben wir unseren Schwung verloren, und wir haben ihn nicht wiedergekriegt.»

Klopp-Team braucht in Madrid ein Wunder

Im Rückspiel im Bernabeu braucht Liverpool mal wieder ein Wunder, um das Viertelfinale zu erreichen. So wie im Halbfinale 2019, als dem Team nach einem 0:3 beim FC Barcelona im Rückspiel zu Hause ein 4:0 gelang. Nur kann man sich das beim FC Liverpool 2023 derzeit schwer vorstellen. «Wir fahren dahin, das kann ich jetzt schon sagen, und werden versuchen, das Spiel zu gewinnen», betonte Klopp – und klang etwas bemüht. «Ob das möglich ist oder nicht, das weiß ich nicht. Aber wir werden es probieren und dann weitersehen.»

Viel wichtiger ist nun die Liga-Partie am Samstagabend in London bei Crystal Palace. Nach Siegen gegen den FC Everton (2:0) und Newcastle United (2:0) muss der derzeitige Tabellenachte weitere Punkte sammeln, um bald wieder Anschluss an die Champions-League-Plätze zu finden. Dass das 2:5 das Selbstbewusstsein seiner Spieler beeinträchtigt, sei «nicht erlaubt», stellte Klopp klar. «Wenn wir uns von diesem einen Spiel beeinflussen lassen, tja, dann sind wir wirklich doof.»

Philip Dethlefs