Nach Bayern-Wechselfehler: Redebedarf bei DFB-Referees

Nach Bayern-Wechselfehler: Redebedarf bei DFB-Referees

Der heiß diskutierte Wechselfehler beim Sieg des FC Bayern beim SC Freiburg dürfte auch bei einem Trainings-Lehrgang für die Bundesliga-Schiedsrichter ein großes Thema gewesen sein.

Der Zeitpunkt für den schon lange zuvor anberaumten Schulungstermin in Potsdam hätte kaum passender sein können, denn DFB-Schiedsrichterchef Lutz Michael Fröhlich sieht nach dem bisher einmaligen Vorfall einigen Redebedarf. Die Deutsche Presse-Agentur beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.

Muss Referee Christian Dingert mit einer Sperre rechnen?

Wahrscheinlich wird der Vorfall keine Konsequenzen für den 41 Jahre alten Unparteiischen haben. «Ich fände es fatal als Botschaft», sagte DFB-Schiedsrichterchef Fröhlich am Montag zu einer möglichen Pause für Dingert. Immerhin räumte Fröhlich eine Teilschuld des FIFA-Referees ein: «Im Prozessablauf gab es schon Fehler, die auf der Schiedsrichterseite gelegen haben.»

Noch deutlicher wurde Schiedsrichter-Beobachter Knut Kircher. «Das ist ein Fauxpas des Schiedsrichterteams, der so nicht passieren darf, wenn man die Spielleitung bis zum Ende konzentriert durchbringen will», sagte der frühere Spitzenreferee bei «SWR Sport».

Hat der Schiedsrichter noch andere Fehler gemacht?

Ja. Dingert hätte den zwölften Bayern-Spieler auf dem Feld – Kingsley Coman – verwarnen und die unterbrochene Partie mit einem indirekten Freistoß für Freiburg fortführen müssen. Stattdessen gab es Schiedsrichterball und kein Gelb. Beides sei aber «nicht erheblich» gewesen, sagte Fröhlich. Der 42 Jahre alte Dingert ist schon seit 2002 DFB-Schiedsrichter. Seit 2010 leitet der Diplom-Verwaltungswirt aus Lebecksmühle Bundesliga-Partien, seit 2013 auch Spiele des Weltverbands FIFA.

Gab es schon ähnliche Fälle?

Eine folgenreiche Wechselpanne leistete sich in dieser Saison der VfL Wolfsburg im Erstrundenspiel des DFB-Pokals bei Preußen Münster. Kurios: Auch da war Dingert beteiligt. Der Bundesligist hatte insgesamt sechs Auswechslungen vorgenommen – erlaubt waren nur fünf. Dingert und seinem Team war dies nicht aufgefallen. Münster erhob erfolgreich Einspruch gegen die Wertung der mit 1:3 verlorenen Partie, Wolfsburg flog am Grünen Tisch aus dem Wettbewerb.

Zieht der DFB Konsequenzen für die Schiedsrichter-Ausbildung?

Eigentlich ist das nicht nötig. Hätten Dingert, seine Assistenten oder der Vierte Offizielle vor der Spielfortsetzung noch einmal durchgezählt – so wie es Freiburgs Verteidiger Nico Schlotterbeck kurz darauf tat -, wäre der Fehler leicht zu vermeiden gewesen. «Das ist einfache Mathematik», sagte Kircher. Deshalb will der Verband die Unparteiischen noch einmal nachdrücklich zu erhöhter Wachsamkeit auffordern. «Es hat etwas mit Konzentration und mit Übersicht zu tun. Darüber müssen wir mit den Schiedsrichtern intern noch mal sprechen», kündigte Fröhlich an.

Wird die Regelung überdacht, dass die Teambetreuer die Auswechseltafeln bedienen?

Eine Rückkehr zum vor der Pandemie jahrelang bewährten Ablauf, bei dem der Vierte Offizielle die Auswechseltafeln bediente, ist in der kommenden Saison denkbar. Zum einen läge das Prozedere wieder in einer Hand, zum anderen hat auch die Politik bereits etliche Corona-Regeln aufgehoben. «Wenn sich das Ganze mit der Pandemie gelegt hat, sollte man darüber nachdenken, dass man das in einer Hand lässt und wieder so macht wie früher», sagte Fröhlich.

Müssen die Bayern Konsequenzen fürchten?

Ein Einspruch gegen eine Spielwertung muss innerhalb von zwei Tagen nach Ablauf des Tages, an dem das Spiel stattgefunden hat, beim DFB schriftlich eingereicht werden. Das obliegt einzig dem SC Freiburg. Zudem muss innerhalb der Einspruchsfrist eine Gebühr von 500 Euro an den DFB entrichtet werden. Geschieht dies nicht, ist der Einspruch unwirksam.

Welche Aussicht auf Erfolg hätte ein Einspruch?

Das ist schwer zu sagen. Zwar liegt ein Regelverstoß des Schiedsrichters vor. Doch dieser hatte keine Auswirkung auf den Ausgang des Spiels, wie es das DFB-Regelwerk in einem solchen Fall verlangt. Ein weiterer Grund für einen Einspruch wäre der schuldhafte Einsatz eines nicht spiel- oder einsatzberechtigten Spielers.

Drohen den Freiburger Verantwortlichen im Falle eines Verzichts auf einen Einspruch juristische Folgen?

Wohl nicht. Nach Auskunft des Anwalts Fabian Reinholz gibt es «kein Rechtsverhältnis zwischen dem Verein und seinen Fans, auf dessen Grundlage der Fan gegen die Verantwortlichen Schadenersatz oder andere Rechtsansprüche geltend machen könnte, mit der Begründung, der Club habe nicht alles unternommen, um drei Punkte am Grünen Tisch zu kassieren». Gleiches gelte für Sponsoren. «In der Verantwortung sind die Freiburger nicht», sagte Reinholz.

Wird die Grauzone im Regelwerk geschlossen?

Mit dieser Frage muss sich der Verband beschäftigen. In 59 Jahren Bundesliga-Geschichte ist dies offenkundig ein Präzedenzfall. In dieser Saison wird sich am Status quo aber definitiv nichts ändern. Fröhlich kündigte an: «Da ist ein Fehler passiert. Das muss man in Ruhe aufarbeiten.»

Von Eric Dobias, Ulrike John und Maximilan Wendl, dpa