«Zauberer» mit Problemen: Geiger hadert mit der Schanze

«Zauberer» mit Problemen: Geiger hadert mit der Schanze

Den Glauben an Karl Geiger hat Markus  Eisenbichler auch nach den olympischen Startproblemen seines Skisprung-Kumpels nicht verloren.

«Des is a Zauberer, der schafft des scho», sagte Eisenbichler optimistisch und in gewohnt breitem bayerischen Dialekt. Mitfavorit Geiger selbst wirkte mit Blick auf seine nun schon sechs misslungenen Trainingssprünge auf der gigantischen Schanzenanlage dagegen recht ratlos. «Das fuchst mich unglaublich», sagte der 28-Jährige, während der Wind bei zweistelligen Minusgraden unbarmherzig durch den Auslauf fegte.

Der Zugang zur Schanze fehlt Geiger noch

In der Eiseskälte von Zhangjiakou peilt Geiger eigentlich den nächsten großen Coup an: olympisches Einzelgold. Als Gesamtweltcupführender ist er automatisch einer der größten Favoriten und Haupt-Hoffnungsträger der deutschen Flugkünstler. Er könnte in die Olympia-Fußstapfen der Gold-Gewinner Andreas Wellinger und Jens Weißflog treten. Damit dieser Traum Wirklichkeit werden kann, muss sich bei Geiger aber schnell etwas ändern.

«Die wirkliche Lösung oder den Zugang für die Schanze habe ich noch nicht gefunden», erklärte er. «Aber: Wir haben morgen noch eine Quali und dann geht erst der erste Wettkampf los.»

Familienvater Geiger ist nicht nur wegen seiner Konstanz in diesem Winter einer der Top-Kandidaten auf den ganz großen Ringe-Triumph. Geiger hat sich in den vergangenen Jahren vom eher unauffälligen Teammitglied im Schatten von Wellinger, Richard Freitag oder Severin Freund zum absoluten Vorzeigespringer entwickelt und die drei längst überholt. Der Bachelor of Engineering, der in Pyeongchang Silber mit dem Team gewann, ist längst ein nervenstarker Großereignis-Experte. Bei den vergangenen beiden Weltmeisterschaften gewann er viermal Gold und holte insgesamt sieben Medaillen.

«Ich bin sehr fasziniert von der ganzen Anlage»

Geiger gilt als einer der Springer, der sich am besten auf schwierige Bedingungen und neue Gegebenheiten einstellen kann. Genau diese Fähigkeit braucht er in China, wo die Veranstalter einen Schanzenkomplex errichtet haben, der wahlweise an ein Ufo, einen Heiligenschein oder einen riesigen Donut erinnert. «Wirklich beeindruckend, was hier gebaut worden ist. Ich bin sehr fasziniert von der ganzen Anlage», sagte Geiger.

Dass ihm die Anpassung sportlich so schwer fiel, ist erstaunlich und ungewöhnlich. Mit Sprüngen auf 88, 76,5 und 95 Meter belegte Geiger im zweiten Training nur die Ränge 28, 42 und zwölf. Am Vortag waren es die Plätze 20, 21 und 22 gewesen. Geiger hat allerdings in seiner Karriere schon bewiesen, dass er auch nach schwächeren Übungssprüngen liefern kann, wenn es darauf ankommt. «Die Flinte werfen wir sicher noch nicht ins Korn», sagte er kämpferisch.

«Eisei» hat mit Olympia noch eine Rechnung offen

Neben ihm ist auch Eisenbichler eine Einzelmedaille zuzutrauen. Für den 30-Jährigen war in dieser Saison schon alles dabei: Nach Traumflügen und Podestplätzen jubelte der Siegsdorfer ausgelassen, nach misslungenen Sprüngen und Windpech fluchte er hemmungslos.

«Eisei», wie er im Team genannt wird, hat mit Olympia noch eine Rechnung offen. Als das deutsche Team im Mannschaftswettbewerb von Pyeongchang 2018 Silber gewann, musste Eisenbichler als Ersatzmann zuschauen. Stephan Leyhe hatte den vierten Platz im Quartett bekommen. Dieses Jahr ist Eisenbichler für das Team von Bundestrainer Stefan Horngacher nach Aussage des Coaches «enorm wichtig» – genau wie Geiger.

Gewinnt einer der beiden am Sonntag (12.00 Uhr/ARD und Eurosport), wäre derjenige der fünfte deutsche Sportler, der Skisprung-Olympiasieger im Einzel wird. Neben Wellinger vor vier Jahren und Weißflog (1984 und 1994), hatten auch Hans-Georg Aschenbach (1976) und Helmut Recknagel (1960) Gold gewonnen.

Von Thomas Eßer und Patrick Reichardt, dpa